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Einer der fleißigsten Spieleautoren der Welt, Reiner Knizia, hat im Jahr 2008 nach über 250 erfundenen Spielen das erste Mal den begehrten Preis "Spiel des Jahres" erhalten. Wolfgang Kramer hat dieses Problem nicht, schließlich wurde er seit 1979 schon schlappe fünfmal ausgezeichnet. Die letzten beiden Preise erhielt er zusammen mit Co-Autor Michael Kiesling für die clevere Schatzsuche "Tikal" und das abstrakte Brettspiel "Torres" - zwei Spiele, die sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind, aber letztendlich doch völlig anders.
[imgleft]images/UploadGrafiken/Torres1.jpg[/imgleft]In "Torres" geht es darum, die größten Burgen zu bauen, um die eigenen Ritter auf deren höchste Zinnen zu stellen und somit ordentlich punkten zu lassen. Die große Gemeinsamkeit mit "Tikal" und eins der persönlichen Markenzeichen des Autors Kramer ist dabei das Aktionspunktesystem, nach dem die Züge vonstatten gehen. Jeder Spieler hat in seinem Zug fünf Punkte, mit denen er verschiedene Aktionen durchführen kann. So darf er mit zwei Punkten einen neuen Ritter auf dem Plan einsetzen, einen bestehenden Ritter für einen Punkt um ein Feld bewegen, ein neues Burgstück auf dem Plan platzieren, besonders starke Aktionskarten ziehen oder, wenn gar nichts mehr geht, Siegpunkte eintauschen.
Nach ein paar Spielzügen findet eine der insgesamt drei Wertungen statt, in der jede Burg abgerechnet wird, was sich über die Formel "Grundfläche mal Höhe" ergibt. Wenn also der beste Ritter des Spielers in einer vier Felder großen Burg auf der dritten Ebene steht, erhält er für diese Burg zwölf Punkte.
Schnell bilden sich also auf dem Plan besonders lukrative Burgen, in denen jeder der bis zu vier Spieler möglichst hoch hinaus möchte. Doch das ist alles andere als einfach. Ein Ritter darf mit einem Schritt maximal eine Ebene höher gehen, wie bei einer Treppe. Und andere Figuren blockieren die Bewegung. Zu allem Überfluss stehen einem auch noch maximal drei Burgstücken zur Verfügung, die man auf dem Plan platzieren darf. Also muss man ganz genau austüfteln, wie man seine Aktionspunkte am geschicktesten einsetzt, um möglichst als Einziger auf den höchsten Ebenen der lukrativsten Burgen zu landen. [imgright]images/UploadGrafiken/Torres2.jpg[/imgright]Durch die Zugregeln werden dabei häufig äußerst clevere Kombinationen möglich, mit denen man sich selbst nach oben bringt und die Gegner blockiert. Doch wenn man nicht aufpasst, eröffnet man den Mitspielern nur Möglichkeiten, die diese schamlos ausnutzen.
Das Salz in der Suppe stellen dabei die mächtigen Aktionskarten dar. Mit ihnen ist es beispielsweise möglich, gleich zwei Ebenen auf einmal zu überwinden, schräg zu ziehen, sieben Aktionspunkte zur Verfügung zu haben, ein Burgteil unter einen eigenen Ritter zu bauen, und so weiter.
Letztendlich gibt es noch eine Königsburg, durch die große, weiße Spielfigur markiert, die in jeder Wertung wichtige Extrapunkte gibt, wenn man dort einen Ritter auf einer bestimmten Ebene stehen hat. Schlau: Nach jeder Wertung wird der König versetzt, sodass sich die Spieler während einer Partie nicht nur um eine spielentscheidende Burg prügeln.
"Torres" hat das Aktionspunktesystem von "Tikal", dem entsprechend erbt es auch die große Schwäche dieses Spiels: Downtime. Wenn ein Grübler am Tisch ist, kann sich ein einzelner Spielzug ziehen wie Kaugummi. Dennoch ist das hier ein weitaus geringeres Problem als im Dschungelspiel, denn einerseits stehen einem nur fünf statt zehn Punkte zur Verfügung, andererseits wesentlich weniger Spielfiguren, auf die man achten muss. Bei normalem Spieltempo dauert eine Partie damit kaum länger als eine Stunde. Wer es freilich richtig knackig mag, spielt mit der Meistervariante von "Torres", bei der man von Anfang an alle Aktionskarten auf der Hand hält und noch ein äußerst schwieriges, aber wertvolles Extraziel erfüllen kann. Alternativ schlägt die einwandfrei gestaltete Spielregel auch eine Version mit höherem Glücksanteil vor.
[imgleft]images/UploadGrafiken/Torres3.jpg[/imgleft]So oder so ist "Torres" einerseits ein geniales, einfach zu erlernendes Strategiespiel, aber vor allem auch ein ästhetisches. Wo Brettspiele normalerweise auf die zweite Dimension beschränkt sind, wachsen hier abenteuerliche Burgen in die Höhe, wird die Räumlichkeit eingeführt und spielerisch sinnvoll genutzt, was bei Strategiespielen immer noch allzu selten der Fall ist. Optisch begeistern dabei vor allem die detaillierten Burgteile aus Plastik, die zudem gut mit den Farben der Ritter harmonieren. Die Grafik der Version von Rio Grande/Abacusspiele ist lediglich ein wenig konventioneller geraten als die exzentrische, aber innovative Optik des Originals. Unterschiedlich ist auch der Preis. Das moderne "Torres" kann man mit einer Preisempfehlung von 43 Euro nicht gerade billig nennen, während die alte Version von FX Schmid auf jedem Flohmarkt vorzufinden sein dürfte ?
Wer diesen modernen Klassiker aber noch nicht kennt, muss ihn unbedingt ausprobieren! Egal in welcher Ausgabe, "Torres" ist ein wunderschönes Strategiespiel für jeden, der sich auch nur ein bisschen mit abstrakten Spielen anfreunden kann.