Die zeitgenössische Kunst ist praktisch uferlos. Alles kann Kunst sein oder werden, traditionelle Gemälde rücken immer mehr in den Hintergrund. Der Kunstband "The Upset" widmet sich allerdings hauptsächlich dieser Kunstform, wenngleich es ganz besonders außergewöhnliche Gemälde von jungen, aufstrebenden Künstlern sind, die hier präsentiert werden. Zunächst beginnt das Buch mit einer Einleitung zur Entstehung von "The Upset", zur Auswahl der Künstler und Kunstwerke sowie zu den Strömungen, die den Künstlern des Bandes als Inspiration dienten, wozu unter anderem die Anime- und Mangaszene, Graffiti, Science Fiction oder Hip Hop gehören. Danach öffnet der Bildband mit einem Abschnitt, der als "Lowbrow" betitelt ist, ein Neologismus für eine neue Kunstform, die das Gegenteil des Highbrow darstellt. Die hier abgebildeten Werke sind farbenprächtig und phantastisch angehaucht, zu ihren Urhebern zählen Mark Ryden, Camille Rose Garcia und Jeff Soto. Düsterer wird es im nächsten Kapitel, das sich Kunst aus dem Bereich "Gothic" widmet. Die Werke tragen oftmals Elemente der Fantasy oder Science-Fiction in sich und stammen von talentierten Künstlern wie Mia Mäkila, Ray Caesar oder Aya Kato. Einen Kontrast zu den bisher eher ausgefallenen, schrillen Gemälden bildet der nächste Abschnitt, der unter dem Motto "Realism" steht. Mit "Illustration, Character" geht es weiter, nun werden die Kunstwerke wieder bunter und comicartiger. Im nächsten Part, der als "Urban Art" betitelt ist, bekommt man die Kunst der Großstadt zu sehen, unter anderem Street Art und Graffiti. Hier dominieren ausnahmsweise nicht die Gemälde, sondern alle möglichen Flächen und Gegenstände werden als Leinwand genutzt. Weiter geht es dann mit "Pattern", mit dem Spiel der Muster, Farben und Formen, repräsentiert durch Künstler wie Rex Ray und Charles Glaubitz. Viele deutsche Künstler finden sich schließlich im Kapitel "Expressionism", unter ihnen ist beispielsweise Daniel Richter. Zu jedem einzelnen Kapitel gibt es eine Einleitung, die das Thema erklärt und auch die Hintergründe einzelner Künstler beleuchtet.

Die meisten Künstler und ihre Werke, die in "The Upset" vertreten sind, wird man wohl selten in bedeutenden Galerien finden. Renommierte Kritiker würden vermutlich keine Lobeshymnen auf Gemälde von Szenestars wie John John Jesse oder Liz McGrath singen. Und doch heißt das nicht, dass diese Kunstwerke schlecht wären oder die Künstler nicht weltweit kommerzielle Erfolge erzielen könnten. Viele der talentierten Maler aus "The Upset" kümmern sich nicht um irgendwelche Konventionen, um Trends und die elitäre Künstlerszene. Sie passen sich nicht an, fallen auf, schaffen Kontroversen und bleiben ihrem eigenen Stil treu. So muss man sich als Leser darauf einstellen, in "The Upset" teilweise eher ungewöhnliche Spielarten der Kunst zu treffen, die man vielleicht gar nicht unter diesen Begriff fassen würde.

Extravagant, bizarr, realistisch, melancholisch, abstoßend, erotisch, farbenprächtig oder düster - würde man all die verschiedenen Strömungen, Künstler und Werke beschreiben wollen, die in "The Upset" Eingang gefunden haben, bräuchte man mehr als eine Handvoll Adjektive. Hier herrscht Kontrastprogramm, kaum zwei Künstler gleichen einander, mögen sie auch von denselben visuellen Subkulturen beeinflusst worden sein. Seite für Seite blättert man um, staunt dabei über die überbordende Kreativität aufstrebender Künstler, zieht Vergleiche und versucht sich an Interpretationen. Dabei sind nicht nur die Bilder interessant, sondern auch all die zusätzlichen Informationen, insbesondere zu den Künstlern, die teilweise auch Interviews gegeben haben.

"The Upset" zeigt moderne Kunst der besonderen Art. Ein fabelhafter Band, der dank des Facettenreichtums und der Individualität seiner Künstler dazu einlädt, ihn immer wieder durchzublättern. Durch ein großes Format und beste Druckqualität kommen die Gemälde besonders gut zur Geltung.