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 Handyman Jack

Erzählungen

Autoren: F. Paul Wilson
Übersetzer: Michael Plogmann
Verlag: Festa, Leipzig

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Ist der Abfluss verstopft, ruft man den Installateur. Bricht ein Passant in der Fußgängerzone plötzlich zusammen, wählt man den Notruf. Suchen Geister und Spukgestalten einen in den eigenen vier Wänden heim, wendet man sich vertrauensvoll an Bill Murray & Co. Doch was, wenn die Angelegenheit gänzlich anderer Natur ist? Wenn sie in einer trüben Grauzone zwischen Recht und Unrecht angesiedelt und die normale Rechtssprechung zu ihrer Lösung nicht fähig ist? Und wenn überdies noch die Angelegenheit einer raschen wie auch diskreten Auflösung bedarf? Der praktizierende Arzt Francis Paul Wilson gibt die Antwort - in Form einer der originellsten Antihelden, welche die Thrillerliteratur in den letzten rund 25 Jahren hervorgebracht hat: Handyman Jack!

Jack wer? Wie lautet sein voller Name? Das weiß wohl nicht einmal Wilson selbst, denn in Jacks "Gewerbe" ist es von Vorteil, den anderen möglichst nichts über sich selbst wissen zu lassen. Infolge dessen, dass Jack in der erwähnten Grauzone agiert, hat er jeglichen Hinweis auf seine Identität eliminiert, er existiert praktisch nicht. Der Polizei geht er aus dem Weg, was auch auf die gesetzmäßige Fragwürdigkeit seiner Mittel, mit welcher er seine Aufträge ausführt, zurückzuführen ist. Er gehorcht weniger den - nicht selten fragwürdigen - Regeln der Gesellschaft als vielmehr seinem eigenen Kodex und seiner eigenen Ansicht von Moral - vorausgesetzt, der Betrag stimmt.

Dass auch hierzulande mancher Liebhaber der Thrillerliteratur der etwas anderen Art in den Genuss des Handyman gelangt, dafür muss dem Festa Verlag großes Lob zugesprochen werden. Während sich Verlagsriesen mit Namen wie Dan Brown, Ken Follett oder Jean-Christophe Grangé schmücken, ist es Frank Festa und seinem "Haus der Fantastik" zu verdanken, dass F. Paul Wilsons Repairman Jack - im Deutschen unverständlicherweise auf Handyman Jack umgetauft - nicht in Vergessenheit geraten ist. Mit einem nach diesem Antihelden betitelten, elf Kurzgeschichten umfassenden Sammelband legt Festa nun ein Schäuflein nach und zeigt Wilsons großartige Qualitäten als Verfasser kürzerer Texte, fernab von Romanzyklen.

Die ersten sechs Erzählungen drehen sich um Wilsons genialen Antihelden, den "Mann für alle Fälle". Die Palette an Episoden aus dem ganz (ab-)normalen Alltag des Handyman ist hierbei breit gefächert, sie haben aber eines gemeinsam: Wilson bringt die Szenarien mit einem fesselnden Stil zu Papier, so dass sie einem rasanten, aber sorgfältig inszenierten Actionstreifen mit 100 Prozent Adrenalingarantie gleichen. So darf der Leser etwa mitfiebern, wenn es zu einem "Zwischenspiel im Drugstore" kommt, als Jack und eine Bekannte einen Supermarkt aufsuchen und sich unversehens in einem blutigen Überfall wieder finden. Es folgt ein Bandenkrieg unter Schutzgelderpressern, deren Opfer sich in ihrer Verzweiflung an Jack wenden, der sich der Sache annimmt, als ihm auch noch ein unbekannter Schütze und der neue Boss der lokalen Drogenmafia ans Leder wollen - "Ein ganz normaler Tag" im Leben des Repairman eben. Eine Geiselnahme führt in "Der lange Weg nach Haus" beinahe zum Ende des Handyman, als Jack einem angeschossenen Streifenpolizisten hilft und dabei verhaftet wird, während es in der nächsten Erzählung zu einem Wiedersehen mit den blutrünstigen Rakoshi aus Jacks Romandebüt "Die Gruft" gibt, nachdem "Der letzte Rakosh" überlebt hat und sein Dasein in einer Freakshow fristet. Auf die Bitte eines Baulöwen hin bricht Jack mit einer seiner Regeln - keine Einmischung in private Angelegenheiten - und muss als "Familiennotdienst" eine Frau vor der Misshandlung durch ihren gewalttätigen Ehemann retten. Rettung erfleht auch der arabischstämmige Geschäftsmann Munir, der sich "In der Mangel" befindet: Ein Unbekannter hält seine Familie als Geiseln gefangen und manövriert Munir in den Abgrund der Verzweiflung, doch kann der Handyman das Ruder herumreißen?

Nicht minder spannend gestalten sich die restlichen fünf Kurzgeschichten, in welchen Wilson dem Leser weitere Facetten seines nicht minder bekannten und faszinierenden Adversary-Zyklus, welcher in nichts Geringerem als den Untergang der Menschheit mündet, mit straff gezogenen narrativen Fesseln präsentiert. Schauplatz der meisten Erzählungen ist die fiktive Ostküstenstadt Monroe - Wilsons Castle Rock - oder Umgebung, wo Wirklichkeit und Albtraum nicht immer zwei unterschiedliche Paar Stiefel bilden und Angst und Dunkelheit öfters anzutreffen sind, als einem lieb ist. So verschafft sich der entflohene Soziopath Gilroy Connors in der heruntergekommenen Holzhütte des alten und gebrechlichen Haskins im Sumpf Zuflucht vor seinen Verfolgern. Wie vermutet stellt der Greis kein Problem dar, seine unheimlichen "Untermieter" aber sehr wohl. In der Stadt selbst geht in "Gesichter" ein Serienmörder umher, der seinen Opfern - schöne junge Frauen - die Gesichter abnagt; was als blutiger Horrorkrimi beginnt, entwickelt sich jedoch schnell zu einem nervenaufreibenden Drama. Weg von Monroe führt "Dat-Tay-Vao", wo in der Hölle des Vietnamkrieges der übergewichtige Patsy seiner Arbeit als US-Army-Koch und Marihuana-Lieferant der Kompanie nachgehen kann, nachdem ihn eines der "Schlitzaugen" wie durch Magie vor dem Tod gerettet hat. Mit einem Endzeitszenario der etwas anderen Art wird der Leser in "Krabbler" konfrontiert, wo des Nachts riesige Insekten aus dem Erdinneren auf die Jagd gehen, für die Menschen nicht gerade als ungenießbar gelten. In der abschließenden Erzählung "Mitgefühl" bricht das Grauen in die Welt des skrupellosen Rechtsverdrehers Howard Weinstein herein, als er per Expresslieferung die abgetrennte Hand eines Arztes erhält, den er in den Selbstmord getrieben hat; seit diesem Vorfall kann Weinstein die Gefühle und Emotionszustände seiner Umgebung wahrnehmen. Was anfangs wie eine göttliche Gabe wirkt, entpuppt sich als Wahnsinn in Reinkultur …

Wie herauskommt, sind alle elf Kurzgeschichten in einen umfassenden Zyklus von F. Paul Wilson eingebettet, doch ist es nicht zwangsläufig vonnöten, diesen in- und auswendig zu kennen. Jede Story kann ebenso für sich stehen und auch von einem Handyman-Jack-Laien genossen werden - dies gilt selbst für "Der letzte Rakosh", der an den ersten Roman um Jack anknüpft -, im Kontext von Wilsons Schaffen erscheinen viele Geschichten aber in einem anderen Licht. Damit lohnt sich die vorliegende Sammlung sowohl für echte Kenner wie auch jene, die in Wilsons Opus hineinschnuppern möchten. Belohnt wird der Kauf des Buches mit originellen Geschichten, welche sich durch Wilsons narrative Kraft stets rasiermesserscharf vor dem geistigen Auge des Lesers manifestieren und ihn bis zum Ende hin fesseln - und gemeint ist nicht das Ende einer einzelnen Erzählung!

Danke, Festa Verlag, dass du uns diese elf Erzählungen nicht vorenthalten hast! Nur eines wüsste ich gerne: Wie lautet die Telefonnummer von Handyman Jack? Nur für den Fall, dass eines Tages vor meiner Tür ein Rakosh auftauchen sollte …

Michael Höfel



Hardcover | Erschienen: 01. Oktober 2008 | ISBN: 9783865520791 | Preis: 24,00 Euro | 352 Seiten | Sprache: Deutsch

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