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Einer der ungewöhnlichsten und faszinierendsten buddhistischen Lehrer, die in den Westen kamen, war Chögyam Trungpa Rinpoche. Er wurde 1940 in Tibet geboren und dort nach den strikten klösterlichen Traditionen des tibetischen Buddhismus erzogen. Die chinesische Invasion zwang ihn, mit 19 Jahren nach Indien zu fliehen. Von dort reiste er weiter nach Großbritannien, wo er Psychologie, Philosophie, Religionswissenschaften und Kunst studierte. So tauchte er tief ein in die westliche Kultur - 1970 ging er in die USA.
Trungpa Rinpoche war sehr am Leben der Menschen aus anderen Traditionen und Kulturen interessiert. Er lehrte nicht nur den buddhistischen Weg, sondern benutzte die verschiedensten Mittel, wie Dichtkunst, Theater oder etwa Psychologie, für seine Unterweisung. Als wahrer Meister des Tantra verstand er es dabei, mit den Energien zu spielen und sie zu nutzen, um Wachheit und Klarheit auszudrücken und zu erzeugen - manchmal auf schockierende Weise.
Er gründete zahlreiche Meditations- und Studienzentren: das Kloster Samye Ling in Schottland, das Naropa Institut in Boulder, Colorado, und die weltweit verbreitete Vajradhatu-Gemeinschaft. Außerdem sagt man ihm eine unbeirrbar genaue und mitfühlende Einsicht in die tiefsten Ängste und Nöte der Menschen nach. So gab er Belehrungen über die Schnelligkeit und Entfremdung des modernen Lebens, Depressionen, Materialismus, Aggression, Wut, Unsicherheit und den lähmenden Mangel an Selbstwertgefühl.
Das vorliegende gebundene Hardcover-Buch "Lichtvolle Klarheit - Unermessliche Weite" enthält Vorträge Trungpa Rinpoches über Zen und Tantra. Es beginnt mit einer Einführung von Trungpas Schüler David Schneider, der seine Erfahrungen ebenfalls in Büchern verarbeitete. Eins davon ist "Street Zen: The Life and Work of Issan Dorsey", ein anderes "Essential Zen". Der Einführung folgt das Zen-Sutra "Hsin-Hsin Ming" oder japanisch "Shinjinmei", "Die Meißelschrift vom Glauben an den Geist". Es wird Sosan, dem dritten Patriarchen des Zen, zugeschrieben. Dem schließen sich die Vorträge zweier Kurse Trungpa Rinpoches an, die er 1974 jeweils unter dem Titel "Zen und Tantra" hielt. Thema des einen Kurses ist "Prajna wachrufen", der andere behandelt das Thema "Das Netz der Disziplin". Im Anschluss daran sind der Bilderzyklus "Ochsen hüten" mit Kommentaren Trungpas und ein Nachruf auf den Zenmeister Shunryu Suzuki Roshi veröffentlicht. Zahlreiche Schwarzweiß-Fotografien Trungpa Rinpoches begleiten die Texte; das Buch schließt mit Anmerkungen, einem Register der Fachbegriffe, einer Danksagung und Literaturhinweisen.
Daniel Schneider, der 1983 formal von Trungpa Rinpoche als Schüler akzeptiert wurde, gibt in seiner Einführung einen Einblick in die Bedingungen, unter denen die Kurse gehalten wurden, und ordnet sie in das Gesamtwerk Chögyam Trungpas ein. Er schreibt ebenso über die Kontakte des Rinpoches mit der Zenpraxis. Zen-Meister Shunryu Suzuki wurde neben anderen Meistern des Zen, schnell ein geschätzter spiritueller Freund Trungpa Rinpoches. Daniel Schneider erläutert auch die Einsicht und die Durchdringung Chögyam Trungpa in die Zen-Lehre, nach seiner Ansicht stützte Trungpa sich nicht nur auf Sutren, historische Begebenheiten und Fakten, sondern hatte die Kenntnisse eines wirklichen Insiders in Zen-Praxis und Philosophie.
Die Vorträge sind jeweils mit einem Titel überschrieben und in einem Absatz ist das Wesentliche zusammengefasst. Dem eigentlichen Vortrag folgen Fragen und Antworten von Schülern und Lehrer.
Trungpa Rinpoche wurde oft ein humorvoller, scherzender oft verblüffender Umgang mit seinen Schülern nachgesagt. Davon kann man sich auch bei diesen Vorträgen überzeugen, in denen der Rinpoche die Wildheit des Zen und die Verrücktheit des Tantra gegenüberstellt, Gemeinsamkeiten aufzeigt und deren Unterschiede. So ist für ihn die Praxis der Meditation die gemeinsame Grundlage, und das Verständnis von Zen und Tantra erschließt sich über die zugrunde liegende Meditationspraxis, ihre Bedeutung und Anwendung. Nach Trungpa Rinpoche ist das Tantra eine Fortführung des Zen und geht noch einen Schritt über dieses hinaus und zeichnet sich durch eine höhere Präzision aus. Nach ihm bezieht sich die Art und Weise präsent zu sein im Zen auf einen Weg, auf einen Prozess, während die Erfahrung des Lebens in der tantrischen Überlieferung mit einem unendlich weiten Ozean, mit der grenzenlose Weite des Firmaments verglichen werden kann.
Die Vorträge richteten sich an ein westliches Publikum und werden durch viele Beispiele und Bilder erläutert, um die buddhistische Weisheit zu vermitteln. Sie enthalten die Essenz sowohl der Ausbildung und Praxis Trungpa Rinpoches und auch der Erfahrung von Hunderten von öffentlichen und privaten Kursen und Seminaren und Tausenden von mündlichen Einzelunterweisungen. Trungpa Rinpoche gibt auch über das Thema hinaus zahlreiche grundsätzliche Hinweise für die Meditation und die tägliche spirituelle Praxis.
Es ist von Vorteil, Grundkenntnisse von Zen und Tantra oder einer anderen buddhistischen Philosophie zu besitzen, da auf einige der Begriffe, wie Hinayana, Mahayana oder Prajna, nicht weiter erläuternd eingegangen wird, und auch ein Glossar am Ende fehlt. Ein gutes buddhistisches Wörterbuch ist hier hilfreich. Begriffe, die für das Verstehen des Textes ganz wesentlich sind, wie der des
dyhana beispielsweise, was soviel wie Sammlung oder Geistesruhe bedeutet, werden im Text erläutert.
Das Werk Chögyam Trungpas, zu dem auch poetische Texte und Kalligraphien gehören, ist bei weitem noch nicht vollständig dokumentiert. Dieses Buch ist ein weiterer Schritt, das Werk dieses bedeutenden Lehrers bekannt zu machen. Es richtet sich an Interessierte und Praktizierende einer buddhistischen Praxis, insbesondere Zen- oder Tantra-Praktizierende, und ist sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene zu empfehlen. Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Ausstattung mit den zahlreichen Zeichnungen und Fotografien ist sehr gelungen.