Pflanzen werden von Nicht-Botanikern selten als sexuelle Wesen wahrgenommen. Wohl nimmt man, insbesondere als Allergiker, Pollen zur Kenntnis, eventuell auch bestäubende Insekten. Die eigentlichen Abläufe der pflanzlichen Sexualität und die ihr zugrunde liegende Morphologie hingegen sind dem Laien üblicherweise fremd.
Die Sexualität der Pflanzen hat jedoch, wie der Titel des hier besprochenen Buches bereits verrät, etwas Faszinierendes, Rätselhaftes, zumal sie sich in dem Auge nicht unmittelbar zugänglichen Größenordnungen abspielt.

Im Anschluss an Vorbemerkungen und Vorwort geht es in diesem Buch zunächst um "Pollen in Kunst und Wissenschaft". Beide Autoren, Künstler und Botanikerin, gehen in dieser Einführung auf die Berührungspunkte zwischen ihren Disziplinen ein. Es schließen sich die drei eigentlichen Kapitel an.
Das umfangreichste unter ihnen, betitelt "Keine Blüten - kein Pollen, kein Pollen - keine Blüten", betrachtet den Aufbau der pflanzlichen Sexualorgane und die typischen Vorgänge, die der geschlechtlichen Vermehrung von Pflanzen zugrunde liegen. Dabei wird nicht zuletzt ausführlich auf die farbliche und vor allem strukturelle Vielfalt des Pollens eingegangen.
Im Kapitel "Abbildung des Unsichtbaren" betrachten die Autoren die Historie der Beobachtung und Dokumentation pflanzlicher Sexualität, zunächst mit sehr bescheidenen Hilfsmitteln, neuerdings mithilfe von Rasterelektronenmikroskopen und dazugehörigen Fotoapparaten.
Der Abschnitt "Pollen - ganz groß" enthält nebst Erläuterungen zur Pollenfotografie eine Vielzahl von Aufnahmen von Pollenkörnern und den dazugehörigen Blüten. Hierauf folgen Nachwort und, im Anhang, Glossar, Bibliographie und ein Verzeichnis der abgebildeten Pflanzen.

Bildband oder Sachbuch? Diese Frage lässt sich in Bezug auf "Die geheimnisvolle Sexualität der Pflanzen" nicht eindeutig beantworten. Wenngleich die Texte natürlich nicht den Anspruch eines Botanik-Lehrbuchs haben, vermitteln sie doch sehr detailliert Einblicke in die Mechanismen der Vermehrung von Pflanzen, insbesondere der Blütenpflanzen. Was für Nicht-Botaniker spontan wahrscheinlich nicht gerade wie ein ausgesprochen spannendes Thema aussieht, entpuppt sich während der Lektüre als überraschend vielseitig und fesselnd: Pflanzen haben die geschlechtliche Fortpflanzung wahrlich perfektioniert, nicht nur dadurch, dass sie sich Wind und Tiere zum Bestäuben nutzbar machen, sondern beispielsweise auch durch raffiniert "konzipierte" Mechanismen zur Vermeidung von Selbstbestäubung und somit Inzucht.
Der Befruchtungsvorgang selbst wirkt nicht minder kompliziert als bei den Tieren. Kein Wunder, dass dem Pollen, der zum einen für den sicheren Transport des männlichen Genmaterials, zum anderen für dessen Transfer zur Samenanlage verantwortlich ist, in diesem Buch eine zentrale Bedeutung zukommt. Dass auch die Entwicklung der Technik zur Abbildung von Pollen beschrieben wird, ergänzt die eigentliche Biologie ebenso auf ebenso interessante Weise wie die immer wieder geknüpfte Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst, für die sich dieses Thema in der Tat besonders anbietet.
Sowohl der künstlerische Aspekt als auch die Veranschaulichung der wissenschaftlichen Zusammenhänge erfordern natürlich Abbildungen, und dieses Buch brilliert mit seinen großformatigen, hoch aufgelösten, farbschönen Nah- und Makrofotos von Blüten und elektronenmikroskopischen Aufnahmen von Pollenkörnern und anderen Details. Alle Bilder sind präzise beschriftet. Zur Erläuterung der Texte dienen oft auch kleinere Abbildungen, manchmal Bilderserien.
Dieser Band begeistert aufgrund des harmonischen Zusammenspiels von Kunst und Naturwissenschaft, Text und Bild, Informationsvermittlung und ästhetischem Aspekt. Inhaltlich durchaus anspruchsvoll und sehr ansprechend gestaltet, vermag er auch mit seinem nicht zu hohen Preis zu punkten. Ein zugleich "bild-"schönes und informatives Buch!