Jahrhunderte lang gehörte das Stillleben zu den bevorzugten Kunstgattungen. Dies galt für die Käufer, die damit ihren Status zur Schau stellen konnten, ebenso jedoch für die Künstler, denn die wirklichkeitsgetreue Gestaltung von Details wie Reflexe und Spiegelungen in Gläsern oder die feine Oberfläche von Obststücken, aber auch problematische Perspektiven stellten interessante Herausforderungen dar.
Das hier besprochene Buch dient als Katalog zur zunächst im Frankfurter Städel Museum und anschließend im Kunstmuseum Basel präsentierten Ausstellung mit identischem Titel. Auch unabhängig vom Besuch der Ausstellung bietet das Buch einen Überblick über die Entwicklung der Stilllebenmalerei während dreier Jahrhunderte. Wie die Ausstellung selbst ist der Band in folgende Abschnitte gegliedert:
"Das Stillleben vor dem Stillleben", "Niederländer bringen die Stilllebenmalerei an den Main", "Vanitas- und Bankettstillleben", "Aus dem Wasser: Fischstillleben", "Noble Jagdstillleben. Beginn und Blüte", "Kartuschen- und Nischenbilder", "Jan Davidsz. de Heem und sein Kreis", "Das Sottobosco", "Willem van Aelst und seine Schule", "Stilllebenmalerei im 18. Jahrhundert".

Jeder dieser Abschnitte besteht aus einem Aufsatz und den zugeordneten Bildern der Ausstellung. Der Aufsatz vermittelt einen Überblick über das jeweilige Thema; auch Begriffe wie etwa "Vanitas" (Eitelkeit; in diesem Kontext allerdings Vergänglichkeit des Lebens) oder "Sottobosco", das heißt, "Waldbodenstück" - der Wald oder die Natur als Rahmen für ein Stillleben -, werden erläutert. Vor allem lernt der Leser die Bedeutung vieler in den Stillleben verwendeter Gegenstände kennen, denn, und auch dies stellen die Autoren heraus, wenngleich es für die Künstler natürlich darum ging, die Objekte möglichst natürlich abzubilden, so hatte doch praktisch jedes von ihnen eine symbolische Bedeutung, und ihre Zusammenstellung ergab eine individuelle Aussage.
Die Aufsätze enthalten Abbildungen von Kunstwerken, die diese Ausführungen belegen, sodass sich im Buch auch viele Bilder finden, die nicht Teil der Ausstellung sind.
Der sich an den jeweiligen Aufsatz anschließende Katalog der zugeordneten Gemälde enthält eine ganzseitige Aufnahme des Exponats, nicht selten zusätzlich eine große Abbildung eines Bildausschnitts. Alle relevanten Informationen zum Bild selbst - Maler, Material, Größe, Signatur, Eigentümer und gegebenenfalls Inventarnummer - werden in einer kurzen Übersicht gegeben, auch ein Literaturverzeichnis zum jeweiligen Werk ist vorhanden. Ein Text im Umfang von mindestens einer Drittelseite beschreibt zunächst die abgebildeten Gegenstände und die Gesamtkomposition und geht anschließend auf Symbolgehalt und weitere relevante Aspekte ein. Häufig schlagen diese Texte auch den Bogen zum Leben des Künstlers und zum Geschmack des Publikums der jeweiligen Zeit, sofern dies nicht bereits im einführenden Aufsatz geschehen ist. Viele Details, unter anderem die nicht seltenen sexuellen Anspielungen, und kompositorische Raffinessen werden erläutert und können, wie erwähnt, gegebenenfalls auf entsprechenden Bildausschnitten betrachtet werden.
Vor allem dem an Kunst und Kunstgeschichte interessierten Laien erschließen die Texte, auch in Verbindung mit den Abbildungen, auf bestens nachvollziehbare und anschauliche Weise die Welt des Stilllebens und vermögen es, Faszination für diese Gattung zu wecken. Selbst die dem heutigen Betrachter recht fremden Fisch- und Jagdstillleben - Arrangements toter Tiere dürften auf manchen spontan eher abstoßend wirken - werden verständlich, wenn man den kulturhistorischen Kontext kennt, der im Katalog umfassend erläutert wird.
Die Qualität der Abbildungen lässt nichts zu wünschen übrig. Das große Seitenformat ermöglicht zudem eine angemessene Wiedergabe, die den vielen für das Stillleben typischen Details Rechnung trägt.
Dieser prächtige Band ist somit ein vorbildlich aufgemachter Ausstellungskatalog und darüber hinaus ein hochwertiges Sachbuch, das dem Leser die Möglichkeit bietet, die aufgeführten und auch viele weitere Stillleben nicht nur aus ästhetischer Sicht zu genießen, sondern auch ihre Aussagen zu erfassen. Angesichts der Ausstattung und des Umfangs ist der Preis mehr als akzeptabel.