Das 16. Jahrhundert wurde in der europäischen Kunst vom Manierismus bestimmt. Diese Epoche etablierte sich im Anschluss an die Renaissance in ganz Europa praktisch gleichzeitig und brach mit den bis dahin angestrebten klassischen Idealen: Menschen in ausdrucksvollen, doch übersteigerten Posen, auffällige, oft grelle Farben, kühne Perspektiven und häufig auch eine regelrechte Überfrachtung mit Figuren oder anderen Bildelementen kennzeichnen manieristische Kunstwerke. Deshalb wird der Manierismus oft kritisch betrachtet und bisweilen lediglich als Übergang und nicht als eigene künstlerische Epoche betrachtet.
Im Szépmüvészeti múzeum (Museum der schönen Künste) Budapest findet man eine bemerkenswert umfangreiche Sammlung manieristischer Werke. Diese dienten als Grundlage einer Ausstellung des Bucerius Kunst Forums vom November 2008 bis Januar 2009; das hier besprochene Buch diente als Ausstellungskatalog, stellte jedoch zugleich den Manierismus mit all seinen Facetten in Wort und Bild vor.
Auf Grußworte und Vorwort folgt eine Einführung in den Manierismus als Epoche zwischen Renaissance und Barock, in der sowohl die Entwicklung als auch Stilmerkmale, bevorzugte Motive und Aussagen sowie die Auftraggeber und deren Wünsche erläutert werden. Ein weiterer Aufsatz befasst sich mit der kunsthistorischen Debatte um den Manierismus, und im sich anschließenden Kapitel geht es um die Ausbreitung des manieristischen Stils innerhalb kürzester Zeit in weiten Teilen Europas. Im letzten Aufsatz erläutert der zuständige Mitarbeiter des Szépmüvészeti múzeums, wie dieses seine einmalige Manierismus-Sammlung aufgebaut hat.
Es folgt der Katalog mit 109 Kunstwerken, überwiegend Gemälde, jedoch auch Skulpturen, Stiche und andere Kunstwerke. Katalog und Ausstellung sind nach Aspekten aus der Formensprache und der Aussage gegliedert und bieten so einen überraschend facettenreichen Einblick in diese vielen Kunstfreunden doch recht fremde Epoche.
Eine Zeittafel stellt die wesentlichen politischen und kunsthistorischen Entwicklungen des relevanten Zeitraums vor. Im Anhang findet man eine Auswahlbibliographie und Kurzbiografien der Autoren.

Die bisweilen regelrecht bizarr wirkende Formensprache, die kräftigen, oft unnatürlichen Farben und der Bruch mit der sozusagen gerade erst entdeckten Zentralperspektive verblüffen und befremden manche Betrachter manieristischer Kunstwerke - und beeindrucken andere. Als Kunst einer Epoche der Umbrüche, so stellt dies einer der Autoren sehr anschaulich heraus, wagt auch der Manierismus verschiedene Umsturzversuche und entwickelt sich nicht zu einer einheitlichen Richtung.
Das vorliegende Buch bietet viele Möglichkeiten, den Manierismus als eigenständige Epoche in einer Zeit politischer Instabilität zu begreifen und seine Aussagen zu erkennen. Hierzu dienen die oben erwähnten Aufsätze und die kurzen Einleitungen zu den Ausstellungsabteilungen, ebenso jedoch die ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen Exponaten. Vor allem die Gemälde werden detailliert auf je einer Doppelseite vorgestellt, wobei die rechte Seite einer formatfüllenden Abbildung des Werkes vorbehalten bleibt, während auf der linken Seite nebst Material, Format, Herkunft, Inventarnummer und Literatur vor allem der Künstler, das Thema des Bildes oder sonstigen Kunstwerks und die künstlerischen Mittel zu dessen Umsetzung vorgestellt werden. Während die hinter Motiven aus der griechischen und römischen Antike stehenden Mythen im Allgemeinen erläutert werden, gilt dies weniger für Anlehnungen an biblische Erzählungen.
Die Autoren gehören fast sämtlich dem Szépmüvészeti múzeum Budapest an und kennen daher die einzelnen Exponate sehr genau. Deshalb hat dieses Buch eine Fülle an hochwertigen und auch für den Laien interessanten Informationen zu bieten, die übersichtlich und anschaulich vermittelt werden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die erwähnte Zeittafel, die eine Einordnung der Exponate in den kunst- und polithistorischen Kontext ermöglicht.
Dank der hohen Druckqualität und des recht großen Formats bereitet das Betrachten der Bilder Freude; relevante Details lassen sich gut erkennen, und man gewinnt einen authentischen Eindruck vom jeweiligen Kunstwerk.
Ein sehr gelungener Kunst- und Bildband, der Kunstliebhabern, auch solchen ohne allzu profunde Vorkenntnisse, die faszinierende Epoche des Manierismus auf sehr gut verständliche und abwechslungsreiche Weise und in vorzüglicher Aufmachung präsentiert!