Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Im Gegensatz zum Buch wird dem Film längst keine so wichtige Rolle der Informationsvermittlung, des Analysepotenzials und der Interpretationsmöglichkeit eingeräumt. Oftmals fälschlicherweise in die Richtung der reinen Unterhaltung geschoben, bietet der Film dennoch so viel mehr als ein paar bewegte Bilder und Ton. Und obwohl die Wissenschaft den Film mittlerweile als ernstzunehmendes Vermittlungsmedium akzeptiert, fehlen häufig noch adäquate Bearbeitungsmethoden, um das Potenzial des Films und dessen Interpretation voll auszuschöpfen.
Mit dem Buch "Filme sehen, Kino verstehen" bieten die Herausgeber Bettina Henzler und Winfried Pauleit interessierten Lesern die Möglichkeit, sich mit der Filmvermittlung, deren Ausführung und Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Dazu wurden zehn Beiträge von Autorinnen und Autoren, die selbst mit Filmvermittlung arbeiten, in diesem Buch zusammengebracht, zwei davon stammen von den Herausgebern.
Das Thema der Filmvermittlung wird in jedem Beitrag etwas anders angegangen. Bettina Henzler stellt mit ihrem einleitenden
Von der Pädagogik audiovisueller Medien zur Vermittlung des Kinos als Kunstform einen ganz wichtigen Mann vor, nämlich den französischen Filmwissenschaftler Alain Bergala, dessen Essay "Kino als Kunst" aus dem Jahr 2006 bereits zu einem festen Bestandteil der Filmwissenschaft geworden ist.
Einen sehr interessanten Beitrag zum Thema liefert Sebastian Schädler mit
Mit Schneewittchen lernen, dass Geschlechterrollen veränderbar sind. Er widmet sich Filmen, die den bekannten Märchenstoff behandeln, und zeigt die klassischen Gender-Zuordnungen auf. Die daraus resultierende Frage, ob die bisherigen Konzepte der Filmvermittlung, die zwischen pädagogisch wertvollen Filmen und anderen unterscheiden, nicht veraltet sind, kann nur mit einem Nein beantwortet werden und regt zur eigenen Auseinandersetzung an.
Ein weiterer sehr gelungener Beitrag stammt von Eugène Andréanszky. Sein
Kino auf Augenhöhe mit Kindern dokumentiert das französische Projekt "École et Cinéma", für das der Verein "Les enfants de cinéma" mit Grundschulen zusammenarbeitet, um das Medium Film in den Unterricht zu integrieren. Die Auflistung der Filme für Kinder zwischen vier und elf Jahren ist überraschend, finden sich doch neben Slapstickkomödien mit Buster Keaton und Charlie Chaplin sowie Animefilmen von Hayao Miyazaki auch anspruchsvollere Kost wie "Whale Rider" von Niki Caro und Hitchcocks frühes Werk "Young and Innocent". Durch ein beispielhaftes Vorgehen anhand von Jacques DemysÂ’ Märchenverfilmung "Eselshaut" zeigt Andréanszky, wie Kindern Filminhalte vermittelt werden können und auf welche mannigfaltige Weise sich diese Inhalte im Schulalltag umsetzen lassen.
Auch die übrigen Beiträge, die von einem Blick auf die besondere Vermittlung von Experimentalfilmen über Perspektivenwechsel und dazu passende methodische Vorschläge bis hin zu einem Gespräch zwischen dem Medienarbeiter und Autor Michael Baute und dem Filmwissenschaftler Volker Pantenburg über die
Klassiker des "Filmvermittelnden Films" reichen, sind für den Diskurs interessant und lehrreich.
Wo notwendig oder hilfreich, sind die einzelnen Essays mit Aufnahmen aus zur Argumentation genannten Filmen versehen, um das Gesagte zu belegen oder Beispiele anzugeben. Das lockert die teils sehr anspruchsvollen Texte, die sich weniger an interessierte Laien denn an fachinterne Leser richten, auf und bieten zudem die Möglichkeit, die Thesen und Vorschläge der Bildvermittlung mittels eigenständiger Sichtung der Filmbeispiele nachzuvollziehen. Das Thema wird dabei auf so viele unterschiedliche Weisen behandelt, dass sicher für jeden Leser ein nachvollziehbarer Ansatz dabei ist. Man merkt den Texten an, dass - zumeist jedenfalls - Menschen mit praktischer Erfahrung daran geschrieben haben und nicht nur auf trockene Theorie vertraut wurde. Das macht aus "Filme sehen, Kino verstehen" nicht nur eine informationsreiche Lektüre, sondern auch einen praktischen Ratgeber für alle, die selbst mit Filmvermittlung arbeiten oder arbeiten wollen.
Der Schüren Verlag legt mit "Filme sehen, Kino verstehen" eine anspruchsvolle Essaysammlung vor, die man guten Gewissens als weiteren Schritt zur Etablierung des Films als Kunst- und Ausdrucksform betrachten kann.