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Bis heute hat das Genre des Italowestern nichts an seiner Faszination eingebüßt, Namen wie Sergio Leone, Enzo Barboni oder Sergio Sollima haben nichts von ihrem wunderbaren Klang verloren. So verwundert es also nicht, dass Meilensteine des Italowestern es längst auf die Silberscheibe geschafft haben, mitunter aber leider in einer Qualität, welche dem jeweiligen Film nicht gerecht wird. Das will Koch Media in seiner DVD-Reihe "Koch Media Western Collection" tunlichst vermeiden - wie mit "Der Gehetzte der Sierra Madre", einem echten Juwel dieses Genres, gezeigt werden soll.
Den Gesetzlosen in Texas gönnt er keine ruhige Minute, wer gegen das Gesetz verstoßen hat, der wird von ihm unerbittlich verfolgt: Im Namen von Recht und Ordnung säubert der Kopfgeldjäger Jonathan Corbett (Lee Van Cleef) den Bundesstaat von kriminellen Subjekten, was ihm einen wohlklingenden Namen in der rechtschaffenen Bevölkerung einbringt. Der reiche Eisenbahnmagnat Brokston (Walter Barnes) will ihn zu einer Kandidatur als Senator überzeugen, welche er großzügig zu unterstützen gedenkt; im Gegenzug soll Corbett Brokstons Interessen im Senat wahrnehmen. Der Kopfgeldjäger willigt ein, doch der Unternehmer knüpft eine Bedingung an ihre Abmachung: Der Mexikaner Cuchillo Sanchez (Tomas Milian) wird verdächtigt, ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt und getötet zu haben; ihn soll Corbett zur Strecke bringen. Doch in dem Flüchtigen hat Corbett einen würdigen Gegner gefunden: Auf seiner Flucht nach Mexiko betreibt Sanchez ein fesselndes Katz-und-Mausspiel mit dem Helden von Texas, der Mexikaner kann Corbett immer wieder knapp entkommen. Auf seiner Jagd kommen Corbett Zweifel, ob Sanchez die grausame Tat tatsächlich begangen hat. In den Bergen der Sierra Madre kommt es schließlich zum Showdown
Wenn Wolfgang Luley Sergio Sollimas Westerndebüt zu den besten zehn Italowestern aller Zeiten zählt, so zerstreut spätestens der Genuss des Films sämtliche Zweifel: "Der Gehetzte der Sierra Madre" IST eine echte wohltuende Quelle unter der sengenden Sonne der Italowestern-Prärie! Die Story nimmt sich zu Beginn Zeit, um die einzelnen Charaktere einzuführen - neben Corbett und Brokston auch viele Nebendarsteller, welche erst gegen Ende des Films von Bedeutung sind - und mit der Kunde von einem bestialischen Verbrechen die Hetzjagd zu eröffnen. Bis hierher tut sich der Film nicht gerade leicht, den Zuseher zu fesseln. Doch spätestens mit der ersten Begegnung zwischen Corbett und Sanchez ist der Schalter umgelegt, das Publikum wird in eine spannend inszenierte und erstaunlich vielschichtige Mischung aus Western und Politthriller hineingezogen, die sich um das ungleiche, aber doch kongeniale Paar von Jäger und Gejagtem dreht.
Oft wird Sergio Sollimas Westerndebüt zugleich auch als sein größter Italowestern gelobt, was durchaus nachvollziehbar ist. Der Regisseur versteht es, einzelne Elemente des Films miteinander in Einklang zu bringen. An erster Stelle steht die gelungene Besetzung der einzelnen Rollen, jeder einzelne füllt seinen Part nahezu lückenlos aus. Vor allem die beiden Hauptdarsteller blühen in ihren Rollen geradezu auf, was Sollimas Verzicht auf eine simple Schwarz-Weiß-Zeichnung - guter Sheriff jagt bösen Mexikaner - zu verdanken ist. Lee Van Cleef überzeugt als Mann des Gesetzes, der dieses buchstäblich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen bereit ist, gleichzeitig aber nicht ohne Makel ist und keineswegs den strahlenden Revolverhelden vom Dienst markiert. Auf derselben Ebene - mindestens! - spielt Tomas Milian, der in seiner Rolle aufblüht wie das Herz eines Italowestern-Liebhabers beim Klang von Ennio Morricones meisterhaftem Score. Die Figur des Cuchillo Sanchez ist sehr gelungen gezeichnet: Als schelmisches Schlitzohr, ein Dieb und Betrüger, des Mordes verdächtig, doch sein ganzes Leben schon auf der Flucht, erwirbt sich diese anno dazumal vollkommen neue Art des Antihelden mit seinem schwarzen Humor die Sympathie des Publikums. Als nette Idee, doch etwas aus der Reihe tanzend präsentiert sich Corbetts größter Duellgegner im gesamten Film, Baron von Schulenburg, ein österreichischer Aristokrat und ehemaliger Offizier der k.u.k.-Armee, dessen Habitus aber mehr an einen Preußen erinnert.
Mit der ansehnlichen Besetzung harmonisch korrespondieren die wunderbaren Landschaftsaufnahmen, vor allem jene der Sierra Madre - eine würdige Kulisse für den "Big Gundown" (so der englische Titel). Vorangetrieben wird "Der Gehetzte der Sierra Madre" durch einen wunderbaren Score von Maestro Ennio Morricone, der einmal mehr sein Können unter Beweis stellt: Der Regisseur wollte für jede Szene ein eigenes Motiv - eine Aufgabe, welche nur ein Genie wie Morricone nicht nur zufriedenstellend, sondern souverän zu meistern weiß.
Ein weiteres Argument für den Kauf der DVD - abseits des eigentlichen Films - liefert Koch Media selbst: Mit der vorliegenden Silberscheibe präsentiert der Vertrieb "Der Gehetzte der Sierra Madre" erstmals in ungekürzter Fassung. Die rund 25 Minuten (!), welche einst in der deutschen Version der Schere zum Opfer gefallen sind, kommen im italienischen Originalton samt deutschen Untertiteln daher und führen stellvertretend für unzählige andere zeitgenössische Filme - welchem Genre auch immer zugehörig - vor Augen, wie fleißig und skrupellos einst dem Scherenfetischismus nachgegangen worden ist: Die drastisch beschnittene deutsche Fassung wurde um viele für Plot und Botschaft relevante Teile gekürzt, der Film gewissenlos als Ganzes verfälscht.
Koch Media wäre nicht Koch Media, hätten sie die DVD-Veröffentlichung nicht gleich zum Anlass genommen, den Film einer Botoxbehandlung in
digital remastered-Form zu unterziehen. Das Bild selbst ist, vor allem angesichts der Jahre, die der Film auf dem Buckel hat, sehr ansehnlich, aber nie durchgehend von gleicher Qualität; man merkt stellenweise, dass man sich unterschiedlicher Bildmaterialquellen bedienen musste, vor allem der Übergang von einem äußerst gut restaurierten Bild mit vergleichweise prächtigen Farben in eines von minderer Qualität schlägt sich dementsprechend auf dem Gesamteindruck nieder. Verpackt in einem schmucken Booklet, dessen Innenseite ein knapper, aufschlussreicher Essay von Wolfgang Luley über den Film ziert, wurde der DVD ansehnliches Bonusmaterial hinzugefügt: So ist neben Trailern, Bildergalerien von den Drehorten und seltenem Werbematerial vor allem das 32-minütige Special mit Regisseur Sergio Sollima, der aus dem Nähkästchen über seine frühen Werke, die Hintergründe des Films und allerlei nette Anekdoten zum frühen Italowestern plaudert, interessant.
Mit "Der Gehetzte der Sierra Madre" präsentiert Koch Media ein echtes Juwel für alle Liebhaber spannend und sorgfältig inszenierter Italowestern. Auch wenn der Film genreuntypisch als vielschichtiger Mix aus Western, Politthriller und Gesellschaftskritik angelegt ist, so verrät er doch nie seine Zugehörigkeit zum Italowestern. Zwar reicht "Der Gehetzte der Sierra Madre" nicht ganz an das monumentale Werk eines Sergio Leone heran, doch gesehen haben muss es ein jeder Fan gnadenlos guter Western.