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"Das Teleskop von Charon" ist der zweite von vier Bänden der Comicreihe "Monsieur Mardi-Gras - Unter Knochen". Wer sich den makabren Spaß an diesem Werk nicht verderben will, sollte zunächst den Band "Willkommen!" lesen und die folgende Rezension zurückstellen.
Auf Pluto treffen alle Verstorbenen des Planeten Erde als reine Skelette ein. Eifersüchtig bewacht von Diktatoren, einer Art Polizeitruppe und einigen geheimnisvollen Beobachtern, fristen sie ein kärgliches Dasein in der absoluten Einöde des fernen Planeten. Inmitten der kalten und staubigen Wüsten hausen sie in gewaltigen Ruinen, immer auf der Suche nach Erinnerungen an ihr früheres Dasein. Auch Monsieur Mardi-Gras Aschermittwoch gehört zu diesen armen verlorenen Seelen. Doch der ehemalige Landvermesser kann sich nicht mit seinem Schicksal abfinden. Er begehrt auf und löst mit seinen Protesten eine Revolte aus. Doch als er inhaftiert werden soll, retten ihn Mitglieder einer geheimen Bruderschaft, die vom Plutomond Charon aus die Macht der auf Pluto Herrschenden, vielleicht sogar der gesamten bestehenden Ordnung, brechen will. Sie brauchen Aschermittwoch für die Erstellung einer genauen Karte des Pluto. Diese Karte ist für sie der Schlüssel zur Revolte, zum Umsturz. Dafür bergen sie aus all dem Unrat, der die täglich eintreffenden Skelette begleitet, seit Jahrtausenden die verschiedensten Bauteile. Sie haben daraus ein gewaltiges Teleskop gebaut, das es Mardi-Gras Aschermittwoch ermöglichen soll, mit der Landvermessung zu beginnen.
Das aus dem ersten Band bekannte Szenario von Éric Liberge geht in eine neue Runde. Leider ist die Innovation gering. Und der im ersten Moment so schockierende Anblick von Skeletten, die nach dem Tod nicht in Himmel, Hölle oder Fegefeuer geraten, sondern auf dem fernen Pluto ihr Dasein fristen sollen, wartet mit keinerlei Überraschungen auf.
Ganz im Gegenteil. Es werden immer komplexere Handlungselemente eingeflochten, immer mehr Gruppierungen eingeführt, immer mehr Fragen gestellt. Antworten aber bekommt der Leser keine. Und Verständnis oder gar Sinn kann man im zweiten Band leider auch nicht entdecken. Was Kaffee für eine mythische Bedeutung für die Skelette haben soll, bleibt ein Rätsel, die bestehende Ordnung und ihr Zweck ebenso. Die Handlungsweise von Aschermittwoch ist seltsam, entbehrt jeglicher Logik und wirft nur weitere Fragen auf. Auch der Sinn des Teleskops, der zu erstellenden Karte und der Machtverhältnisse in dieser besonderen Art von Fegefeuer bleibt im Dunkeln.
Wären nicht die beeindruckenden Bilder von Liberge, das wirklich unverbrauchte Szenario und die göttlich gemalten Exzesse der Toten, man könnte nach dem Genuss des ersten Albums sagen: "Das reicht!" So aber möchte man doch erfahren, wie die Geschichte weitergeht, wie Aschermittwoch sich schlägt auf der Suche nach dem Sinn dieses skelettierten Daseins.
Doch der große Wurf ist diese Fortsetzung nicht, eher eine kleine Enttäuschung. So viel Text, so viele Verwicklungen, nur um in immer komplizierteren Wendungen ein Finale vorzubereiten, das noch in weiter Ferne liegt. Und keine Antworten, keine Andeutungen, kein erkennbares Konzept - da fällt es schwer, begeistert nach dem dritten Band zu schreien. Und doch - wer "Willkommen!" und "Das Teleskop von Charon" gelesen hat, wird auch "Das Land der Tränen" erwerben, zu faszinierend sind die Bilder von Liberge. Zumal die exzellente Druckqualität und das Großformat des Splitter-Albums die Schwarzweiß-Zeichnungen und die dunklen Farbtöne perfekt zur Geltung bringen.