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 Puppenmord

Autoren: Tom Sharpe
Sprecher: Olli Dittrich
Verlag: Patmos Verlag

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Henry Wilt ist es leid. Zehn Jahre Allgemeinbildung als Hilfslehrer bei "Fleisch 1" haben ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben. Und nun hat ihn einer dieser Vollidioten auch noch auf die Nase geschlagen. Doch seine Frau Eva setzt dem allen noch die Krone auf: Sie schleppt ihn auf eine Party zu den Pringsheims. Zu Leuten, die Wilt auf den Tod nicht ausstehen kann. Elitäres Geschwätz, promiskuitives Verhalten sämtlicher Gäste und ein Gastgeber, der aus seiner Vorliebe für Plastik und Spielzeug kein Geheimnis macht. Dann aber versucht ihn auch noch Sally Pringsheim zu vergewaltigen. Doch selbst literweise Bowle können Henry nicht dazu bewegen, sich dieser Hure zu ergeben oder sich ein "Flötensolo" von ihr bereiten zu lassen - was auch immer das sein soll. Henry aber ahnt nicht, zu was Sally fähig ist, wenn sie nicht die gewünschte Befriedigung erhält.

Als er aus einem kurzen Whiskey-Koma erwacht, steckt er mit seinem intimsten Körperteil in einer Plastikpuppe. Sally hat jedoch ihre Rache vervollkommnet, indem sie die Puppe derart aufgepumpt hat, dass Henry sich nicht mehr aus ihr befreien kann. Als sich seine Blase und die Bowle melden, wankt er mit der Puppe im Arm zur Gästetoilette. Panisch sucht er nach irgendeinem Werkzeug, das den Druck zu mindern in der Lage ist und ihm die Freiheit wieder schenkt. Leider aber rutscht er aus, reißt den Medikamentenschrank von der Wand und knallt mitsamt der Puppe unsanft in die Badewanne. Die herbeieilenden Gäste brechen die Tür auf und betrachten ein Chaos, das es so im Hause Pringsheim noch nicht gegeben hat. Leider ist auch Eva Wilt unter den Beobachtern.
Nun steht es für Henry fest: Seine Frau, die ihn seit zwölf Jahren drangsaliert, muss sterben. Versuchsweise arbeitet er einen Plan aus, der die Plastikpuppe, die ihm Sally perfiderweise geschenkt hat, und deren Bestattung zum Ziel hat. Doch Henrys "Entsorgung" wird just in dem Moment entdeckt, in dem zwölf Tonnen Zement auf die Puppe herabstürzen. Nun hat er eine Mordanklage am Hals und einen Kommissar, der ihm kein Wort glaubt. Denn leider schwören die Bauarbeiter nicht nur, dass sie eine Leiche mit Zement bedeckt haben, auch Henrys Frau ist verschwunden. Und mit ihr die Pringsheims. Ist Wilt ein Massenmörder?

1976 erschien "Wilt". Auf Deutsch unter dem bezeichnenden Titel "Puppenmord" herausgebracht, wurde das Buch zu einem Weltbestseller. Dreißig Jahre später kann man sich das Ganze auch als Hörbuch antun. Olli Dittrich, dem Fernsehpublikum sattsam bekannt durch mehr oder minder komische, meist eher subversive Komik, hat es sich nicht nehmen lassen, den Loser "Wilt" zu sprechen. Wider Erwarten macht er seine Sache gut. Launig, in leichtem Offenbacher Slang, gibt das Multitalent eine Vorstellung, die den speziellen Humor des Tom Sharpe gut zur Geltung bringt. "Speziell", weil der Fäkal-, Anal-, Brachial- und leicht masochistisch angehauchte Humor des Briten nicht jedermanns Sache ist. Es geht heftig zu auf der Sharp’schen Baustelle. Nicht nur die Lehrlinge aus "Fleisch 1", auch Wilt und seine Zufallsbekanntschaft Sally lassen es sprachlich krachen. Gossensprache nennt man das wohl.

Aber wer die erste, sehr langweilige, kaum komische und eher dröge Stunde übersteht und dem Hörbuch eine zweite Chance gibt, erlebt Erstaunliches. Plötzlich, spätestens wenn die Puppe aus dem Bohrloch gezogen wird, überkommt es auch den ernstesten Charakter. Man lacht schallend, klopft sich auf die Schenkel und bekommt kaum mehr Luft. Kann man nun beim Lesen eine Pause machen, fährt Olli ungeniert und ohne jede Unterbrechung fort. Gag folgt auf Gag, skurrile Beschreibung folgt auf merkwürdigste Situationen. Dieser Polizeikommissar gibt mit Wilt ein solch grandioses Duo ab, dass es kaum mehr der Steigerung bedarf. Doch Eva, Sally und ihr Gatte sowie ein betrunkener Pfarrer toppen das Ganze spielend. Hier wird eine Situationskomik abgeliefert, die vom Feinsten ist.

Wären nicht der dämliche Beginn und die viel zu ermüdende, selbstbemitleidende Endlostirade Wilts, das Hörbuch bekäme donnernden Applaus. So aber kämpft man sich mühsam durch die erste Stunde, verzweifelt an Wilt und Eva, sucht den Witz und die Bombenstory, die es auch dreißig Jahre nach Erscheinen noch wert ist, vorgelesen zu werden.

Am Ende hat man zwar verstanden, dass "Puppenmord" wirklich witzig ist, doch zieht man den drastischen, meist sexistischen Humor ab, bleibt nicht viel, was erwähnenswert wäre. Das Stück bleibt ein Fall für Menschen, die Holzhammerhumor lieben - oder im Verlaufe des Hörbuchs lieben lernen. Und das sind nicht wenige - Sharpe schreibt einfach zu gut, um ihn ignorieren zu können.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 4 | Erschienen: 01. Januar 2008 | ISBN: 9783491912731 | Laufzeit: 319 Minuten | Originaltitel: Wilt | Preis: 12,95 Euro

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