Melkin Womper kann sein Glück kaum fassen, als er einen Lehrplatz an der angesehenen Kunstakademie von Ambrosius Blenk angeboten bekommt. Normalerweise ist diese Schule nur etwas für Kinder aus reichen Familien, und Mels Eltern sind nicht gerade wohlhabend. Aufgrund seines außergewöhnlichen Zeichentalents bekommt Mel den Platz aber kostenlos.
Für den Jungen beginnt damit ein neues, aufregendes Kapitel in seinem Leben, doch schon bald wird das Glück überschattet: Das ganze Land befindet sich im eisernen Griff der korrupten Gilden, die gnadenlos über alle Handwerke herrschen, Machtkämpfe ausfechten und auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Vor allem der bösartige Adolfus Spute, der Großvogt der Fünften Gilde, die über das Kunsthandwerk herrscht, will Mel das Leben zur Hölle machen.
Doch es gibt auch Lichtblicke: Auf der Kunstakademie von Ambrosius Blenk findet Mel schnell zwei Freunde. Als er, Ludo und Wren eines Tages heimlich die verborgenen Dienstbotengänge des Hauses durchstreifen - auf der Suche nach Abenteuern - beobachten sie eine unglaubliche Szene: Ihr Meister Ambrosius Blenk zeichnet vor einem Gemälde ein seltsames Zeichen in die Luft - und ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, scheinbar in das Gemälde eingetaucht. Doch wie kann das sein?
Bald darauf verschwindet Blenk dann wirklich und ist nicht mehr auffindbar. Die Freunde sind sich sicher, dass die Fünfte Gilde dem Meister eine Falle gestellt hat und ihn nun vernichten will. Sie begeben sich ebenfalls in das Gemälde und entdecken die Welt Mirrorscape, die nur in Bildern existiert und aus Farben und Pinselstrichen besteht. Ein unglaubliches und gefährliches Abenteuer beginnt...

Ein Schüler an einer besonderen Akademie, magische Bilder, eine neue und aufregende Welt - auf den ersten Blick klingt das wie die Story von einem der tausenden Kinderbücher, die derzeit auf dem Markt sind. Doch der Hörer wird schnell eines Besseren belehrt: Autor Mike Wilks hat mit "Mirrorscape" eine wirklich originelle Idee gefunden, die den Zuhörer schnell in ihren Bann schlägt und die sich von anderen Kinderfantasywerken abhebt. Die Idee, die hinter allem steckt - dass in Bildern eine eigene, wunderbare Welt wartet - ist von Wilks liebevoll und fachkundig ausgearbeitet worden, was wohl auch an seinem eigenen Hintergrund liegt; Mike Wilks ist selbst Künstler und erhielt bereits mit dreizehn Jahren ein Stipendium für eine Kunstschule.

Die Geschichte ist angesiedelt in einer mittelalterlich anmutenden Welt, die durch ihren Detailreichtum und das ausgeklügelte und schlüssige Gildensystem besticht. Alles scheint möglich, viele Ideen sind neu und wirklich gut umgesetzt. Ein paar kleinere Stilbrüche in der Übersetzung lassen den Hörer manchmal aufhorchen - zum Beispiel siezen sich die Figuren teilweise, wo das alte "Ihrzen" sehr viel besser gewesen wäre -, und einmal wird eine Welt mit einem Billardtisch verglichen, aber ansonsten passt alles wunderbar.
Die Ideen, die Mel, Ludo und Wren in Mirrorscape vorfinden, sind abgehoben und sehr phantasievoll, teils surrealistisch; immerhin entspringt ja das ganze Land der Fantasie des Künstlers, der sie geschaffen hat, und so ist eben (fast) alles möglich. Die Freunde entdecken unter anderem die Fundgrube der Inspiration, das Labyrinth der Zeit und Ambrosius Blenks Haus "Heimrich", das eine eigene Seele hat und auf Beinen laufen kann.
Grandios gelesen wird "Mirrorscape" von Andreas Fröhlich. Auch wenn Fröhlich inzwischen wirklich sehr viele Hörbücher einliest und jedem wohlbekannt sein dürfte, überrascht er immer wieder. Seine Lesung dieses Buches ist ein Glanzstück. Er verstellt seine Stimmen so vielseitig, dass man wirklich immer andere Personen vor sich glaubt. Wren, Ludo, Mel, Ambrosius Blenk, das laufende Haus, der fiese Adolfus Spute - sie haben sehr unterschiedliche Stimmen und ganz unterschiedliche Arten zu sprechen, so dass Mirrorscape hier wirklich realistisch zum Leben erwacht.
Die Hörbuchedition aus dem Oetinger Verlag ist besonders schön aufgemacht. Die sechs CDs sind in einem aufklappbaren, stabilen Cover untergebracht; die CDs selbst überzeugen ebenso wie die Verpackung durch die hochwertige Hochglanzoptik und die satten Farben, mit denen sie bedruckt sind.

Ein wirklich tolles Kinderbuch mit einer sehr schönes Idee - fantasievoll, spannend und auch humorvoll, dazu noch genial eingelesen von Andreas Fröhlich. "Gefangen im Reich der Bilder" ist übrigens nur der erste Teil einer Trilogie, die sich um die Welt Mirrorscape dreht. Die Fortsetzungen "Mirrorstorm" und "Mirrorshade" sind bislang nur auf Englisch erschienen.