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Aurelius Augustinus (354 - 430) ist eine der interessantesten Gestalten der Spätantike. Er zählt zu den bedeutenden christlichen Kirchenlehrern und war ein wichtiger Philosoph in der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter. Obwohl er in ein eher armes bäuerliches Umfeld geboren wurde, gelang es ihm, sich nach und nach einen immer größeren Wirkungskreis zu verschaffen. So wurde er schließlich zu einer prägenden Gestalt des Christentums und der europäischen Kultur. Geboren wurde er in der kleinen nordafrikanischen Stadt Thagaste, heute Souk-Ahras, in Algerien. Nach seiner Ausbildung war er dann zunächst als Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand tätig und von 395 bis zu seinem Tod Bischof von Hippo Regius. Die "Bekenntnisse" gelten als sein wichtigstes und bekanntestes Werk. Sie ist die erste Autobiographie der Weltliteratur und um 400 herum entstanden. Sie hat auch in der heutigen Zeit nichts an Aktualität und Relevanz verloren und zeugt von der inneren und äußeren Entwicklung eines Menschen. Dies war Grund genug für den marixverlag, 2008 eine neue überarbeitete Ausgabe, in der Übersetzung von Otto F. Lachmann, herauszugeben.
Die Einführung des vierhundertsechzehn Seiten umfassenden, gebundenen Hardcover-Buches mit Schutzumschlag schrieb Bruno Kern. In ihr erläutert Kern, welchen signifikanten Einfluss Augustinus auf das abendländische Christentum besaß und die Bedeutung für die Weltliteratur. Dem folgen dann die dreizehn Bücher der "Bekenntnisse", in denen Augustinus sein Leben schildert und Einblick gibt in die Höhen und Tiefen der menschlichen Seele und des menschlichen Wesens. Die ersten neun Bücher beinhalten primär eine Reflexion des Lebensweges und wichtige Lebensstationen bis zur Taufe und Bekehrung. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf einer möglichst detailgetreuen Wiedergabe, sondern es werden wichtige Wendepunkte der Entwicklung und subjektive Erlebnisse genannt. Philosophisch-theologischen Betrachtungen sind dann die Bücher zehn bis dreizehn gewidmet. Es wird empfohlen beide Teile in ihrem Gesamtzusammenhang zu sehen.
Die "Bekenntnisse" des Augustinus sind eine Art philosophische Autobiographie, die über die Entwicklung und inneren Auseinandersetzungen Augustinus Auskunft geben. Für Augustinus hatten sie zwei Bedeutungen: zum einen eigenes Schuldbekenntnis und zum anderen Glaubensbekenntnis. Zurückblickend legt er Rechenschaft ab und in rückhaltloser Offenheit berichtet er über die inneren Kämpfe, die erst durch ein dramatisches Bekehrungserlebnis ein Ende finden. Rhetorisch bewältigt Augustinus dies, indem er die "Bekenntnisse" als eine Art überdimensioniertes Gottesgebet verfasst. Der authentische Erfahrungsbericht ist dabei durchsetzt von Bildern und Metaphern und enthält vielfältige Reflexionen. In ihm wird die ständige Suche Augustinus nach Wahrheit deutlich und die Texte reichen somit weit über eine Autobiografie im geläufigen Sinne hinaus. Sie gelten als Prototyp des subjekt-orientierten Philosophierens, das von den Verstrickungen der eigenen Existenz ausgeht. Zahlreiche Denker wurden von den "Bekenntnissen" inspiriert, darunter etwa Jean-Jacques Rousseau. Modellhaft wird hier ein Mensch in einer Zeit der inneren und äußeren Krisen gezeigt, der nicht mehr weiß wohin er sich wenden soll.
Zu den berühmtesten Abschnitten der Bekenntnisse gehören die Reflexionen über die Zeit. Augustinus durchdenkt als einer der Ersten das Problem der Zeit und dies in nahezu modern anmutender Weise. Er untersucht dabei die Frage, ob der Urknall des Universums ein Ereignis der Zeit war oder die Zeit hierdurch überhaupt erst generiert wurde. Augustinus fasste dann das Problem der Zeit psychologisch auf: Zeit als Erinnerung, Anschauung und Erwartung.
Darüber hinaus verdanken wir Augustinus auch einiges, dem mit Skepsis begegnet werden muss. So war er der erste Bischof, der militärische Truppen anforderte, um andere christliche Fraktionen zu bekämpfen. Er leitete aus der Bibel das Recht des wahren Gläubigen ab, den irrenden Gläubigen bis zum Tode zu züchtigen. In seiner Gnadenlehre vertritt er die Auffassung, das die Erlösung des Menschen nur durch einen Akt der Gnade Gottes bewirkt werden kann und nicht durch eigene Leistungen und Bemühungen. Die Grundanschauung Augustinus ist stark dualistisch geprägt: auf der einen Seite das Böse, repräsentiert durch alles Materielle und Fleischliche, und auf der anderen Seite das Gute, die Lichtseele, die befreit werden muss. Diese beiden Prinzipien liegen in Widerstreit miteinander und seine Schriften können somit auch als Ursprung der leibfeindlichen Tendenzen des Christentums angesehen werden.
Auch wenn man in vielem nicht einer Meinung mit Augustinus ist, sind die "Bekenntnisse" doch eine lesenswerte Lektüre, hier in flüssiger und leicht lesbarer Form geboten, und ein wichtiger Quellentext der westlichen Kultur.