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Klein hat er begonnen, zum wertvollen Tipp in der Szene ist er mittlerweile emporgestiegen und ein Ende ist nicht in Sicht: Längst hat sich Andreas Gruber einen wohlklingenden Namen in der deutschsprachigen Szene der Phantastik gemacht und auch seine Ausflüge ins Krimigenre sind unbestritten als Pageturner einzustufen. Vor allem die Figur des Peter Hogart in "Schwarze Dame" und die Plotkonstruktion haben gezeigt, was er aufs Papier zu zaubern vermag. Endlich - ein Jahr nach "Schwarze Dame" - ist der Wiener Privatermittler in "Die Engelsmühle" wieder zwischen zwei Buchdeckeln anzutreffen - und er hat nichts von seinem Charisma verloren.
Peter Hogart, seines Zeichens freiberuflicher Versicherungsdetektiv, verbringt seinen freien Sonntag gerade auf einem Wiener Flohmarkt, genießt die nostalgische Atmosphäre und denkt an nichts Böses, als er von zwei Kollegen des Morddezernats von einem
Fünfundsiebziger in Döbling erfährt: Mord! Noch glaubt Hogart, dass ihn der Fall nicht zu berühren braucht, Mord ist Sache der Wiener Kripo und nicht eines einfachen Privatermittlers - doch weit gefehlt! Das Opfer, der pensionierte Rückenmarksspezialist Abel Ostrovsky, hatte vor seinem grausamen Tod ein Telefonat mit einem seiner ehemaligen Medizinstudenten geführt, und zwar mit niemand geringerem als Hogarts Bruder. Dieser wird von der Kripo zwecks Untersuchungshaft abgeführt, doch kann er Hogart zuvor noch mitteilen, um was es bei dem Gespräch gegangen ist: Bevor ihn der Mörder fesseln und brutal foltern konnte, hat Ostrovsky ein altes Videoband in seiner Villa verstecken können. Hogart schafft es, in den Besitz des Bandes zu gelangen, doch was darauf zu sehen ist, hilft ihm auf den ersten Blick nicht weiter: eine fremde Frau, die in ihrem Rollstuhl durch die düsteren Korridore eines schäbigen Krankenhauses fährt. Doch dem Mörder liegt sehr viel an diesem Band
Ein Jahr nach den Ereignissen in Prag betritt Grubers Versicherungsdetektiv erneut die Bühne der deutschsprachigen Thrillerliteratur, und wie schon im Falle von "Schwarze Dame" gewinnt der österreichische Autor auch dieses Mal das Publikum für sich. Von Abnutzungserscheinungen keine Spur, Peter Hogart - eigensinnig, zynisch, nicht ohne Schwächen und gerade deswegen lebensnah - ist tiefer und sorgfältiger gezeichnet denn je. Grubers Händchen für eindringliche und überzeugende Charakterzeichnungen fernab jeglicher Klischees und vielfach abgenutzter Schablonen hat auch in "Die Engelsmühle" wieder zugeschlagen. Schön zu sehen, dass der Autor aber nicht nur seinem Protagonisten viel Sorgfalt und Zeit gewidmet hat, vielmehr trifft das auf jeden Charakter zu, dem Hogart auf seiner Suche nach der Wahrheit begegnet, von seinem Bruder und seiner Nichte über diverse Verdächtige bis hin zu manch korruptem Kripo-Kollegen. Dadurch bringt Gruber Leben in den Plot, von passiven Statisten fehlt jede Spur - mitunter ein wichtiger Punkt, weshalb der Leser immer wieder Überraschungen erleben darf, seine eigenen Vermutungen zu Täter und Motiv über Bord werfen und Seite um Seite einfach weiterblättern muss.
In "Schwarze Dame" war es Prag, die
Goldene Stadt an der Moldau, welche als atmosphärisch versiert gezeichnete Kulisse für einen spannenden Psychothriller dienen durfte. Nun ist es das Ambiente Wiens, welches Gruber mit einigen stilistisch geschickten Handgriffen stimmungsvoll und atmosphärisch dicht in "Die Engelsmühle" einfängt. Eindringliche Schilderungen über Villenviertel und heruntergekommene Bezirke Wiens, düstere Kunstgalerien und Wiener Kaffeehäuser werden dem Leser ebenso anschaulich vor Augen geführt wie alte Sagen über die Donaumetropole, die der Autor geschickt platziert und nicht selten mit einem Augenzwinkern erzählt, ohne aber gleichzeitig den Ernst der Lage zu vergessen oder gar den Leser mit erhobenem Zeigefinger belehren zu wollen. Nicht minder gelungen herausgearbeitet ist die Korruption, welche die Wiener Exekutive beutelt - keine bloßen Hetztiraden gegen Bestechlichkeit und Pflichtvergessenheit, aber auch keine Darstellung einer Legion blütenweißer Ritter, einfach nur eine realistisch wirkende Darstellung der Verhältnisse.
Einmal mehr muss man einfach Grubers stilistisches Geschick loben. Schon von der ersten Seite an legt der Roman die Fesseln der Spannung um den Leser und entlässt ihn erst wieder in die Freiheit, wenn die nervenaufreibende Jagd nach dem Mörder ausgestanden ist. Der Autor versteht es, anfangs mehrere Handlungsstränge zu präsentieren, um sie mit immer fester angezogener Spannungsschraube souverän und lückenlos zu einem einzigen großen, (blut)roten Strang zu verflechten, der in einen bemerkenswerten Showdown mündet. Clever gesetzte
red herrings und ein beneidenswertes Gespür für das richtige Timing tragen ebenso zu einer spannenden Hetzjagd quer durch die Donaumetropole bei wie Grubers Fähigkeit, genau zu wissen, was er wie beschreiben muss: Egal ob ein grausam gefoltertes Mordopfer in seiner schäbigen Wohnung aufgefunden wird oder Hogart eine alte, heruntergekommene Mühle im Wienerwald betritt, Gruber sitzt stilistisch in jeder Situation sicher und fest im Sattel.
Fazit: Der Roman hätte es wirklich verdient, in einem der großen Verlagshäuser publiziert zu werden; so macht halt der Festa Verlag mit einem der besten (nicht nur deutschsprachigen) Thriller 2008 das Rennen, die Leser werden es ihm danken. Ebenso hätte "Die Engelsmühle" beide Daumen nach oben verdient, doch das ist nicht möglich. Mindestens einen Daumen braucht man zum Drücken, auf dass Andreas Gruber nicht um einen dritten Fall um seinen Wiener Ermittler herumkommt.