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Das Skelett, das im Schlamm liegt, weist ein Loch im Schädel auf. Der See, der durch geologisch Veränderungen langsam trocken fällt, hat die Leiche nach mehr als dreißig Jahren freigegeben - erkennbar an dem alten russischen Abhörgerät, das auf dem Rücken des Mannes festgeschnallt ist.
Erlendur versucht hartnäckig herauszufinden, wer dort in den siebziger Jahren in den See geworfen wurde und was der Fund der russischen Geräte zu bedeuten hat, die an der Leiche festgebunden sind und um sie herum auf dem ehemaligen Seeboden liegen. War der Mann ein Spion? Hat die russische Botschaft sich eines Agenten entledigt oder war der Mann Isländer?
Die Suche ist mühsam und wenig Erfolg versprechend. Nicht nur sein Kollege Sigurður Oli zweifelt am Verstand seines Chefs, ob dessen nicht abnehmendem, fast zwanghaft erscheinendem Willen, diesen Fall zu lösen. Erst als sie auf eine alte Frau stoßen, die auch noch nach Jahrzehnten auf ihren verschwundenen Bräutigam Leopold wartet, scheint sich eine Spur zu ergeben. Sie führt in die Zeit des Kalten Krieges, in die Zeit des frühen DDR-Regimes und des niedergeschlagenen Ungarn-Aufstandes. Doch wer der Tote gewesen ist und vor allem, warum er sterben musste, bleibt lange Zeit im Dunkeln. Und erst der Zufall führt Erlendur auf die Spur eines Isländers, der vor mehr als vierzig Jahren in der DDR studierte und irgendwie in Verbindung gestanden haben könnte mit dem geheimnisvollen Leopold, der so spurlos verschwand.
"Kältezone" ist der sechste Kriminalroman des isländischen Autors Arnaldur Indridason, der Kommissar Erlendur Sveinsson zum zentralen Charakter hat. Viel Zeit verwendet Indridason auch in diesem Fall mit der Schilderung der privaten Situation Erlendurs. Doch wer das Buch gelesen hat, wird entsetzt sein über die enormen Kürzungen. Von Erlendurs Kindern verbleibt nur ein Bruchteil, von den Problemen des Kollegen Sigurður Oli schlicht nichts. Auch weitere Mitarbeiter werden komplett ausgeblendet. Des Weiteren werden auch in der Haupthandlung, der Ermittlung Erlendurs, und noch stärker im zweiten Erzählstrang, der Schilderung des Studentenlebens in der ehemaligen DDR zu Ulbrichts Zeiten, Kürzungen spürbar.
Demgegenüber stehen die Stärken dieses Hörbuchs. Da ist zunächst die Glanzleistung von Frank Glaubrecht. Er gibt der depressiven Grundstimmung ein Gesicht, vermittelt facettenreich die Gedankenwelt Erlendurs und hält gekonnt die Waage zwischen der Tragik, die aus der Vergangenheit bis in die aktuelle Handlung hineinwirkt, und dem Drang Erlendurs, auch diese Vermisstenfall zu klären. Gerade dieses fast manische Festhalten des Kommissars an jedem kleinsten Strohhalm, der eine Spur sein könnte, wird deutlich und fasziniert den Hörer nachhaltig. Hinzu kommt, dass die Kürzung wie eine Dramatisierung der Ereignisse wirkt. Es kommt schlicht keine Langeweile auf, immer geschieht etwas, immer nimmt einen die Handlung und die Stimme Glaubrechts gefangen.
Dazu kommt noch ein unglaublich niedriger Preis. Zwar bekommt man die vier CDs nur in einer leicht zerdrückbaren, wenig ansehnlichen Papphülle, doch weniger als acht Euro für einen Top-Titel - und das sind alle Romane und Hörbücher des Isländers mit Sicherheit - sind wirklich ein glänzendes Angebot.
"Kältezone" ist ein spannender, trauriger und ungemein fesselnder Fall Erlendurs. Dieses Hörbuch muss man als Fan Indridasons unbedingt erwerben. Und wer einfach eine komplexe Geschichte hören will, die ganz nebenbei die Verhältnisse der ehemaligen DDR im Hinblick auf das Wirken der Stasi thematisiert, sollte ebenfalls zugreifen - dieses Hörbuch ist viel weniger Krimi als Gesellschaftsstudie Islands und der DDR der fünfziger und sechziger Jahre.