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"Das Zeitparadox" ist der mittlerweile sechste Teil der erfolgreichen Artemis Fowl-Reihe. Es überrascht, aber nach den dramatischen Ereignissen, die Band fünf abschlossen, kann Eoin Colfer sich immer noch steigern, immer noch mehr Spannung und auch Emotionalität aus seinen Charakteren und Ideen herausholen. "Das Zeitparadox" zählt ohne Zweifel zu den besten Büchern rund um das junge Genie Artemis Fowl, ist vielleicht sogar der beste Teil der Reihe überhaupt. Dass eine Umsetzung als gekürztes Hörbuch dem Stoff nicht wirklich gut tut, wird aus der vorliegenden Lesefassung aus dem Verlag Hörbuch Hamburg deutlich. Doch zunächst zur Geschichte:
Artemis Mutter liegt im Sterben. Eben noch schien sie an einer völlig normalen Grippe erkrankt zu sein, im nächsten Moment verfällt sie buchstäblich zusehends. Die Ärzte sind ratlos, die Symptome der aggressiven Krankheit, die Angelina Fowl dahinsiechen lassen, sind rätselhaft. Voller Sorge nimmt Artemis, der nach seinem Zeitreiseabenteuer ("Die verlorene Kolonie") drei Jahre lang nicht alterte und inzwischen der Bruder von Zwillingen ist, Kontakt zu Holly Short auf. Mit der Elfe verbindet ihn nach vielen gemeinsam durchstandenen Abenteuern inzwischen eine enge Freundschaft. Zusammen mit dem Zentaur Fowley diagnostiziert Holly die verheerende Krankheit als eine Unterweltseuche, die Menschen eigentlich nicht befallen sollte. Angelina Fowl hat nur noch wenige Tage, vielleicht sogar nur noch Stunden zu leben. Das einzige wirksame Gegenmittel gegen die bösartige Seuche ist die Gehirnflüssigkeit einer bestimmten Lemurenart - doch diese Lemuren sind seit Jahren ausgerottet. Artemis Fowl selbst hat das letzte Exemplar als Zehnjähriger dem Tod preisgegeben.
Doch es besteht noch Hoffnung: Gemeinsam mit Holly Short begibt sich Artemis mit Hilfe des Dämons Nr. 1 auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, um den Lemuren zu retten und seinen eigenen Plan von damals zu vereiteln. Es wird eine höchst gefährliche Reise, bei der Artemis auf den cleversten Gegner trifft, den er je hatte: sein jüngeres Ich.
Die Geschichte, die Eoin Colfer hier aufgebaut hat, ist wirklich grandios, nicht nur spannend, sondern auch tiefgründig - so glaubt Artemis, die Krankheit seiner Mutter selbst verschuldet zu haben, indem er sie mit Magie infizierte und darüber hinaus vor Jahren den letzten Lemuren seiner Art einer Gruppe teuflischer Extinktionisten auslieferte. Er muss also seinen Fehler aus der Vergangenheit wieder gutmachen, indem er in der Zeit zurückreist. Dort trifft Artemis auf sein altes Ich und muss erkennen, wie furchtbar skrupellos er als Kind war. Die Wandlung vom alten zum neuen Artemis könnte hier nicht deutlicher vor Augen geführt werden, sorgt beim Hörer aber auch für einige Erheiterung. Insgesamt bietet die Geschichte gerade durch das Zeitreisethema unglaubliche Spannung. Das altbekannte Paradox - was passiert, wenn wir auf unser eigenes Ich träfen? - macht die Story besonders packend, Colfer hat einige wirklich geniale Ideen und extrem spannende Wendungen eingeflochten, die er gegen Ende sehr gekonnt zu einem schlüssigen Ganzen zusammenführt. Vor allem die Beziehung von Artemis und Holly wird hier auf eine harte Probe gestellt, denn am Beginn der Zeitreise steht ein schlimmer Verrat: Artemis macht Holly glauben, sie wäre Schuld an der Krankheit seiner Mutter, obwohl er weiß, dass das nicht stimmt und sie unter dem Tod ihrer eigenen Mutter sehr leidet. Diese Lüge erschüttert das Fundament ihrer Freundschaft und es ist klar, dass es nie mehr so sein kann wie bisher.
Leider kann das Hörbuch mit der genialen Buchvorlage nicht wirklich mithalten. Das liegt zum einen an den zahlreichen Kürzungen. Diese betreffen zwar nicht unbedingt grundlegende Punkte, sie verstümmeln die Vorlage nicht, in der Summe sind sie aber sehr störend und lassen die geniale Vorlage zu einer allenfalls guten werden. So fiel etwa die komplette Eingangsszene mit Artemis Geschwistern der Schere zum Opfer - obwohl diese Szene später noch eine Rolle spielt -, bei der Kraken-Szene am Anfang wurde der gesamte spannende Teil einfach herausgeschnitten. Auch andere, kleinere Szenen, die für den komplexen Gesamteindruck unheimlich wichtig sind, fehlen gänzlich, so etwa die Tatsache, dass Holly sich bei der Zeitreise verjüngt und dass dies eine Wirkung sowohl auf sie als auch auf ihre Beziehung zu Artemis hat. Die Buchfassung ist also unbedingt vorzuziehen.
Der andere Kritikpunkt ist Rufus Beck. Obwohl er als Star am Hörbuchhimmel gilt, kann seine Interpretation der Charaktere leider nicht wirklich überzeugen. Vielleicht ist Beck, der bisher alle Teile der Artemis Fowl-Bücher eingelesen hat, auch einfach weniger motiviert als früher. Seine näselnde Stimme wirkt oft recht distanziert und den teilweise sehr ernsten und bedrückenden Stimmungen, die in diesem Teil ausgedrückt werden sollen, nicht angemessen. Seine Holly klingt Artemis zum Verwechseln ähnlich - überhaupt Artemis: keine Spur von Entschlossenheit und Kühle, er klingt einfach beliebig -, der Zentaur Fowley wirkt wie gehabt recht überzogen und sein Wiehern, das er an jeden Satz anhängt, nervt auch bald ziemlich. Am schlimmsten ist eigentlich die stark bayrisch angehauchte Sprechweise von Mulch Diggums, die einfach lächerlich klingt. Schade, das kann Beck eigentlich besser!
Fazit: Die Hörbuchfassung von "Das Zeitparadox" dürfte Fans, bedingt durch die Kürzungen und die Sprecherleistung, eher enttäuschen. Insgesamt ist das Hörbuch dadurch, dass die Vorlage so enorm stark ist, dennoch noch "gut" zu nennen; auf jeden Fall ist das Buch aber dem Hörbuch vorzuziehen, es ist einfach viel runder und vor allem vielschichtiger als die Lesung.