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Es gibt zahlreiche Frauendarstellungen in der bildenden Kunst, die den Betrachter tief berühren. Oder, wie im Fall des vorliegenden Buches, die Betrachterin, genau genommen 56 prominente Frauen der Gegenwart, die jeweils ein Bildnis einer Frau vorstellen, das sie fasziniert.
Das Vorwort ist mit einem leicht abgeänderten Zitat betitelt, das denn auch als Motto des Buchs dienen könnte: "Die Schönheit liegt in den Augen der Betrachterin." Dass dem so ist, zeigen die Beiträge ganz klar. Frauen interpretieren Frauenbildnisse: Den Anfang macht Dürers "Eva", 1507 entstanden und von der evangelischen Landesbischöfin Margot Kößler präsentiert, gefolgt von Botticellis "Die Geburt der Venus", um 1485 gemalt, Favorit der Schriftstellerin Anna Katharina Fröhlich. Ganz unterschiedliche Frauen kommen zu Wort: Elke Heidenreich mit Auguste Renoirs "Die Loge" und einer Erläuterung dazu, warum Frauen letztlich einen Ottavio statt eines Don Giovanni suchen, Friede Springer, die sich über die Verlorenheit in der Mädchendarstellung "Die Sünde" von Edvard Munch äußert, oder die Schauspielerin Elisabeth Trissenaar, die Franz von Stucks "Tilla Durieux als Circe" einfühlsam interpretiert, eine Darstellung der Frau als Verführerin infolge des vorgezeichneten Schicksals.
Die wohl berühmteste Frauendarstellung in der bildenden Kunst, die "Mona Lisa", wird passenderweise von der ehemaligen Leiterin des ZDF-Magazins gleichen Namens kommentiert. Gabriele Strehle, dem Label Strenesse vorstehend, hat die zweite Frau von Rubens zur Favoritin auserkoren und bricht eine Lanze dafür, dass Frauen einfach so sein sollen, wie sie sind - gegebenenfalls üppige Rubensfrauen. Rossettis zutiefst unglückliche, sich aus dem Hades nach der Erdoberfläche sehnende Proserpina, die von Lucas Cranach dem Älteren dargestellte Katharina von Bora, eines der verstörenden Selbstportraits von Frida Kahlo und eines der liebevollen Bilder Mary Cassatts von ihrer Mutter: weit spannt sich der Bogen zwischen den Epochen und zeigt auf, wie viel uns auch ältere und alte Kunst heute zu sagen hat.
Die ältesten in diesem Buch präsentierten Kunstwerke stammen aus dem ausgehenden Mittelalter, die neusten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dem Leser wird es mit ihnen ebenso ergehen wie mit den Frauen, die ihre Lieblingsbilder von Geschlechtsgenossinnen vorstellen: Etliche kennt er, manche nicht. Und die neuen Bekanntschaften erweisen sich als durchweg lohnende Investition.
Es sind Schriftstellerinnen, Professorinnen, Journalistinnen, Politikerinnen, auch Schauspielerinnen, eine Sportlerin, eine Balletttänzerin, eine Hutdesignerin und andere Frauen in Berufen, in denen es um Ausdruck in jeder Beziehung geht, die sich in "Frauen schön und stark" versammeln. Stark sind auch sie, ähnlich wie ihre "Heldinnen der Leinwand", wenn man es so nennen darf, und ob sie und die in Öl dargestellten Damen schön sind, liegt ja, wie erwähnt, in den Augen der Betrachterin.
Frauen sehen Frauen anders als Männer. Auch weibliche Schönheit offenbart sich ihnen nicht immer in derselben Weise, obwohl Frauen, wie dieses Buch gut dokumentiert, weibliche Erotik und Verführungskunst bei ihren Geschlechtsgenossinnen durchaus zu würdigen wissen. Die Frauen, die hier ihre Favoritinnen aus der Kunst vorstellen, gehen an diese Aufgabe unterschiedlich heran. Manche orientieren sich eher an den kunsthistorischen Tatsachen, auf denen das jeweilige Bild basiert, andere schildern völlig frei vom wissenschaftlichen Kontext ihre Beziehung zum Bild, und natürlich gibt es etliche, die beides verbinden. Von der viel zitierten "Stutenbissigkeit" ist jedenfalls an keiner Stelle etwas zu beobachten, eher von schwesterlichem Komplizentum und freundschaftlicher Zuneigung. Und natürlich zollen die Damen den Malern Respekt, die das Wesen der portraitierten Frauen so trefflich auf die Leinwand zu bannen vermochten - zumindest ein Wesen, das wir in sie hineininterpretieren, sofern keine detaillierten Kenntnisse zur Person vorliegen.
Jedem Frau-Frau-Zweigespann aus Kunstwerk und moderner Betrachterin ist eine Doppelseite gewidmet, deren eine Hälfte vom besprochenen Bild beansprucht wird. Die Druckqualität ist gut, und auch das gesamt Layout gefällt ebenso wie das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das Buch bietet nicht nur Frauen eine wunderbare Möglichkeit, sich mit Frauendarstellungen in der Kunst quer durch die Jahrhunderte zu befassen und einen eigenen Zugang dazu zu finden.