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Lady Vivian Hastings ist schwanger. Ihr bleibt nur eine Wahl: Sie muss ihren Liebhaber, Lord Prisham, zur Ehe zwingen. Der zaudert noch, denn der Gemahl von Lady Vivian ist erst seit drei Jahren verschwunden. Erst als er offiziell für tot erklärt wird, willigt er ein.
Die fast verarmte Lady atmet auf. Ihr Gatte hatte fast den gesamten Besitz verpfändet, um seine unselige Expedition ins Amazonas-Gebiet zu finanzieren. Nun endlich kann sie mit dem Vermögen des Lords standesgemäß ihren Begierden und Gepflogenheiten nachgehen. Doch mitten in die ausgedehnten Hochzeitsvorbereitungen platzt der Bruder ihres für tot erklärten Gatten. Er bringt Kunde aus der Ferne. Ein Brief von Lord Byron Hastings ermächtigt seinen Bruder Edward, den gesamten Besitz der Hastings zu Gold zu machen und ein Schiff damit auszurüsten. Ziel der Reise ist das sagenumwobene Eldorado, die Stadt aus Gold, die ebenso legendäre wie in den Mythen der Zeit zu reiner Fantasie gewordene Stadt Guyanapac. In seinem Brief teilt er seiner Frau mit, dass er die Stadt gefunden hat, eine Karte liegt bei. Nun ist es die Aufgabe seines Bruders, ihm zu Hilfe zu eilen und das Gold der Stadt zu bergen.
Lady Vivian ist verzweifelt, gibt aber nicht so schnell bei. Sie beschließt, Doktor Livesey aufzusuchen. Er hatte ihr vor langer Zeit von einem Seemann erzählt, der schlimmer als der leibhaftige Teufel war. Diesen John Silver will sie treffen und ihn zu einer Reise anheuern. Denn Lady Vivian Hastings hat beschlossen, den Bruder ihres Gemahls zu begleiten. Und mit ihr soll "Long John" an Bord des Schiffes gehen und ihre Interessen wahren. Doch ahnt sie wirklich, auf wen sie sich da einlässt?
Endlich ein "neues" Szenario von Xavier Dorison. Der mit "Das dritte Testament" berühmt gewordene Franzose wagt sich an ein Terrain, das alles andere als neu erscheint. "Long John Silver" ist der Titel der Serie und wohl niemandem unter den Lesern ist diese Figur aus dem Roman "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson ein Unbekannter.
Doch Dorison hat keine Fortsetzung entworfen, sondern bedient sich nur eines Charakters, der nachgewiesenermaßen ebenso grausam und zu allen Gräueltaten bereit ist, als auch einen gewissen Berufsethos als Pirat mitbringt, der ihn zu einem verlässlichen Partner macht.
Doch zunächst muss sich der Leser mit der ebenso abgebrühten wie schönen Mätresse eines Unbekannten abgeben. Sie erwartet ein Kind von ihm, will ihn ehelichen und muss dafür nur noch ihren verschollenen Gatten für tot erklären lassen. Diese Seiten erfüllen den Leser eher mit Abscheu und mäßigem Interesse - wo ist dieses Album ein Piratenabenteuer, eine Fantasy-Saga, ein neues geniales Projekt des für außergewöhnliche Szenarien bekannten Xavier Dorison?
Es dauert bis in die Mitte des Albums, der nicht minder langweilige Doktor Livsey - ebenfalls sattsam bekannt aus dem Buch Stevensons - hat einen eher nichtssagenden Auftritt, ehe es zur Sache geht. "Long John" tritt auf. Zunächst bieder erscheinend, kann er endlich den Leser an die Zeilen fesseln. Nun gelingt dem Szenaristen, was dem Zeichen von der ersten Seite an fast spielend vorbehalten ist, er fasziniert. Denn was Illustrator Mathieu Lauffray da abliefert, ist einmalig. Seine Bilder sind eine Augenweide und sorgen für einen bleibenden Eindruck. Zwar sind Gesichter und Mimik nicht seine Stärke - eher holzschnittartig fallen hier seine Werke aus - doch was er an Schauplätzen zeichnet, sucht seinesgleichen.
So bleibt der Auftaktband - gemessen an den Erwartungen an Xavier Dorison - ein wenig blass. Es dauert einfach zu lange, bis der Leser in die Handlung hineingezogen wird und in ihr versinkt. Wären nicht die fantastischen Bilder von Lauffray, der erste Band wäre nur unteres Mittelmaß. So aber ist er gut und macht zweifellos Hoffnung auf eine furiose Fortsetzung.
Der schmale Paperback-Band aus dem Carlsen-Verlag ist in Anbetracht der verlangten zwölf Euro durchaus günstig zu nennen, ist doch die Druckqualität sehr gut und der Umfang von vierundsechzig Seiten überraschend groß.