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"Nirgends lernt man einen Künstler besser kennen als in seiner Graphik", schrieb Ernst Ludwig Kirchner, der Expressionist und Brücke-Mitbegründer, in dem unter Pseudonym veröffentlichten Artikel "Über Kirchners Graphik". Das mag stimmen oder auch nicht, will man allerdings Kirchner kennenlernen, so kommt man um seine Graphiken nicht herum. In seinem Leben, so kann man im Vorwort von Magdalena M. Moeller lesen, hat Kirchner um die zweitausend Holzschnitte, Lithographien und Radierungen hergestellt. Nur zweihundert davon sind farbige Drucke. Der vorliegende Ausstellungskatalog umfasst insgesamt 145 farbige Drucke Kirchners, wobei auch Gegenüberstellungen verschiedener Farbvarianten ein und derselben Graphik aufgenommen wurden.
Im Einführungstext, der 39 Seiten umfasst, nähert sich Günther Gercken Kirchners Graphik auf zwei Wegen an: Zum einen über die Graphik an sich, ihre Farben und Formen, ihren Inhalt und ihre Thematik, zum anderen über die Feinheiten der Herstellung. Gercken schreibt, dass Kenntnisse über das Zustandekommen, also die Herstellung der Graphik, einen Gewinn für das Verständnis und die Würdigung der künstlerischen Leistung bedeuten, und wenn man als Leser seinen Ausführungen folgt, so kann man dem nur zustimmen.
Gercken startet mit Informationen zur Technik des Farbholzschnitts sowie der Lithographie und geht dann auf Kirchners Farbtheorie ein. Anschließend versucht Gercken Kirchners künstlerische Entwicklung an konkreten Arbeiten darzustellen, zunächst wieder für die Farbholzschnitte und im Anschluss für die Farblithographien. Kirchners Radierungen enthalten nur wenige farbige Arbeiten - der Katalog zeigt gar nur eine - und werden daher nur sehr kurz besprochen.
Nach den theoretischen Ausführungen Gerckens folgen die 145 Graphiken, die nach Holzschnitten, Lithographien und Radierungen kategorisiert und innerhalb der Kategorien chronologisch sortiert sind. Insgesamt umfasst das Buch 101 Farbholzschnitte, 43 Farblithographien und eine Farbradierung. Im Anhang findet der Leser weitere Angaben zu den Graphiken, eine Biographie des Künstlers und eine ausgewählte Bibliographie.
Insbesondere für den eher unbedarften Leser sind Gerckens Ausführungen zu den graphischen Techniken, die bei Kirchner Verwendung finden, sehr interessant und nützlich. Dabei geht es natürlich nicht (nur) um die Techniken allgemein, sondern um ihre Verwendung und Bedeutung im Schaffen Kirchners. Immer wieder geht Gercken dabei exemplarisch auf bestimmte Arbeiten Kirchners ein, sodass man als Leser direkt die Ausführungen mit seinen eigenen visuellen Eindrücken abgleichen kann. Gerckens Anliegen über das Verständnis der Technik beziehungsweise technischer Details zu einer neuen, anderen Würdigung zu gelangen, geht also voll auf und bietet dem Leser einen anderen Zugang zu Kirchners Werk. Einzig die Bezugnahme auf Referenzen eines Werkverzeichnisses ist ein wenig ärgerlich, da eine Bezugnahme auf die Nummern im Ausstellungskatalog das Nachschlagen der Bilder deutlich vereinfacht hätte.
Für einen moderaten Preis bekommt man mit diesem Ausstellungskatalog nicht nur 145 farbige Druckgraphiken Kirchners in guter Qualität geboten, sondern auch eine theoretische Einleitung, die die Auseinandersetzung mit den graphischen Arbeiten des Künstlers fördert, in diese Auseinandersetzung einführt und vor allem auf diese Auseinandersetzung Lust macht.