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Es ist eine traurige Nachricht, die die Kleinstadt Willis eines wunderschönen Sommertags erschüttert: Bob Ronda, seines Zeichens Postbote seit vielen Jahren, bekannt für seine Schwätzchen während seiner Runde und beliebt bei allen Leuten, ist tot - Selbstmord. Obwohl er ein glückliches Familienleben führte, zufrieden mit seiner Arbeit war, weder trank noch Drogen nahm oder auf andere Weise negativ auffiel, erschoss er sich selbst.
Der Lehrer Doug Albin, der ebenfalls in Willis lebt und Bob Ronda kannte, kann nicht glauben, dass der lebenslustige Mann sich selbst umgebracht haben soll. Er, seine Frau Trish und Sohn Billy trauern um diesen Verlust wie um ein Familienmitglied. Der Postbeamte Howard, Bobs Kollege und bester Freund seit vielen Jahren, glaubt ebenfalls nicht an Selbstmord, doch das Leben muss weitergehen, und so beantragt er bei seinen Vorgesetzten einen Ersatzmann für Bob.
Mit der erstaunlich frühen Ankunft des neuen Postboten scheint etwas Seltsames mit Willis zu geschehen. Doug und Trish bemerken, dass sie gar keine Rechnungen und Werbeprospekte mehr zugesandt bekommen; stattdessen landen Briefe von lieben Freunden und Verwandten, die sich schon lange nicht mehr gemeldet haben, mit ungewöhnlicher Beständigkeit im Briefkasten. Doug findet heraus, dass nicht nur seine Familie überraschende Post erhält, sondern auch andere Einwohner der Stadt; aber es sind nicht nur schöne Nachrichten, die da zugestellt werden. Seltsame Briefe von Fremden, falsch zugestellte Post anderer Leute und teilweise anonyme, perverse Versendungen schrecken die Leute auf. Dann geschieht ein zweiter Selbstmord. Das Böse scheint in Willis eingekehrt zu sein
Die Lobpreisungen von Dean Koontz und Stephen King, die im Buch als Werbung nachzulesen sind, gelten wohl als beste Empfehlung, die einen Horrorroman auszeichnen kann. Aber wird "Böse" die hochgeschraubten Erwartungen erfüllen?
Ausgangslage ist - das Motiv ist im Horrorgenre wohlbekannt - ein verschlafenes Nest, in dem sich die Leute kennen und in dem nie viel los ist. Der Leser taucht ein in eine heiße, träge Sommerferienstimmung, lernt wichtige Charaktere kennen und erfährt mehr über das geruhsame Zusammenleben der Stadt Willis, ihre Einwohner und die kleinstädtische Idylle. Doch dann scheint etwas Böses die Stadt in seine Gewalt zu bringen, heimtückisch und kaum merklich. Spannung kommt nach etwa hundert Seiten auf, wenn die Basis geschaffen ist. Und plötzlich muss man gemeinsam mit den Protagonisten, der Familie Albin, feststellen, dass sich heimlich, still und leise eine bedrohliche Atmosphäre eingeschlichen hat, die sich mit jeder gelesenen Seite ein bisschen verstärkt, bis die Ereignisse immer wieder eskalieren, zunächst noch überraschend und ungewöhnlich, später dann immer unkontrollierbarer und gefährlicher.
Ein Hauch unfreiwillige Komik kann dem Roman indes nicht abgesprochen werden. Über die Post hat jeder schon einmal geschimpft, und ohne zu viel zu verraten, kann klar gesagt werden, dass sie sich hier quasi als Wurzel allen Übels herausstellt. Vor allem passt der harmlos klingende Originaltitel "The Mailman" viel besser zum Inhalt des Geschehens. Insgesamt aber überwiegt der Grusel die manchmal skurrile Stimmung, die durch die Art und Weise der Horrorvermittlung entsteht. Und so muss man einfach Seite um Seite lesen, um zu erfahren, ob und wie Doug und seine Familie dem Bösen widerstehen kann und ob die Stadt zu einem Ort des puren Schreckens mutiert oder dieses Schicksal noch abwenden kann.
Mit "Böse" hält der Leser einen spannenden Horrorroman in Händen, der durchaus hin und wieder an Stephen Kings meisterhaftes Talent, das Böse in idyllische Städtchen zu treiben, erinnert; der König des Horrors kann von Bentley Little natürlich nicht vom Thron gestoßen werden, aber insgesamt ist ihm guter, bisweilen harter, aber immer unterhaltsamer Grusel gelungen.