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Nicht nur in seiner Heimat Großbritannien hat sich der britische Schriftsteller Jonathan Stroud mit den Romanen seiner "Bartimaeus-Trilogy" in die Herzen vieler Leser geschrieben - auch in vielen anderen Ländern, darunter auch in Deutschland, werden die Bücher mittlerweile veröffentlicht. Während der dritte und letzte Band, "Ptolemys Gate", im englischen Original bereits im Oktober 2005 erschien, liegen in deutscher Übersetzung derzeit die ersten beiden Bücher der Trilogie, "Das Amulett von Samarkand" und "Das Auge des Golem", vor. Letzteres erschien nun im Oktober 2005 als gekürzte Lesung im Random House Audio-Verlag.
Gute zweieinhalb Jahre ist es mittlerweile her, seit der junge und ehrgeizige Zauberer Nathanael im Alter von zwölf Jahren dem Premierminister des britischen Weltreichs das Leben gerettet hat, indem er eine Verschwörung gegen diesen aufdeckte. Man kann sich gut vorstellen, dass seine Zaubererkarriere seitdem steil nach oben geschossen ist, doch nun - Nathanael ist mittlerweile fünfzehn Jahre alt - scheint sie still zu stehen. Ja, mehr sogar: Nathanael muss sich hüten, beim Premierminister nicht in Missgunst zu fallen! Denn Nathanael wurde mit der Aufgabe betraut, die hartnäckige Widerstandsbewegung zu zerschlagen, die von einigen Gewöhnlichen durch Anschläge mit gestohlenen magischen Artefakten betrieben wird und das Ziel hat, die Herrschaft der Zauberer zu schwächen oder gar zu beenden, doch bisher kann der junge Zauberer mit seinen Ermittlungen kaum Fortschritte vorweisen - egal, was er auch versucht, Nathanael kommt einfach nicht an die Mitglieder des Widerstands heran. Als schließlich eine Reihe schrecklicher Anschläge in London verübt werden, bei denen ganze Gebäudekomplexe zerstört werden und die von den Ministern des Weltreichs und dem Premierminister gleichermaßen dem Widerstand zugeordnet werden, scheint Nathanael endgültig in Missgunst zu fallen. Doch Nathanael hat Zweifel an der Behauptung der Minister - die Vorgehensweise während der jüngsten Ereignisse passt einfach nicht in das einfache Muster der Widerständler. Um seinen Ruf unter den Zauberern wieder zu festigen, bleibt Nathanael keine andere Wahl mehr, als erneut den Dschinn Bartimäus zu beschwören - sehr zu dessen Leidwesen. Doch da ihm Nathanael schwört, dass er ihn in die Fronten des Krieges schicken werde, der bald gegen Amerika anstehe, sollte der Dschinn Nathanaels Geburtsnamen verraten - Nathanael ist unter seinesgleichen ausschließlich unter dem Namen John Mandrake bekannt, da der Geburtsname eines Zauberers einem Widersacher eine gewisse Macht über die entsprechende Person verleiht -, bleibt Bartimäus nichts anderes übrig, als dem jungen Zauberer erneut zu helfen. Um Nathanaels Verdacht, der sich ihm mittlerweile bezüglich der Anschläge aufdrängt, zu festigen, reist er mit Bartimäus schließlich nach Prag, das vor der Eroberung durch die Briten eine glänzende Zaubererstadt gewesen ist, um dort in Kontakt mit einem britischen Spion zu treten.
Zeitgleich plant das Mädchen Kitty, welches sich bereits in jungen Jahren den Widerständlern angeschlossen hat, um sich für das Leid, das ihr und ihrem besten Freund aus Kindestagen von einem Zauberer angetan wurde, zu rächen, gemeinsam mit ihren Genossen einen entscheidenden Schritt, der den Zauberern erheblichen Schaden zufügen könnte. Da der Widerstand nur eine kleine Gruppe Gewöhnlicher ist, die sich jedoch dadurch auszeichnen, angeborene Abwehrkräfte gegen magische Bänne und Zauber zu haben, sind die Aktivitäten der Gruppe bisher in den meisten Fällen nicht übermäßig schadend oder gefährlich, sondern vielmehr schlichtweg nervig für die Zauberer gewesen. Doch mit Mr Hopkins, den Mr Pennyfeather - der Anführer des Widerstands - als neues Mitglied anwerben kann, scheint sich das Blatt endlich zu wenden: Denn dieser verfügt über Quellen innerhalb der höchsten Regierungskreise und schon bald haben Mr Hopkins und Mr Pennyfeather einen Plan ausgetüftelt, der den Widerstand endlich an sein Ziel bringen würde: Die Herrschaft der Zauberer zu stürzen...
"Gelesen von Gerd Köster" - so steht es auf dem Cover der CD-Box. Hoppla! Als ich die vorliegende Lesung in den Händen hielt, habe ich an dieser Stelle doch sehr gestutzt. Dass das Hörbuch nicht vom selben Sprecher gelesen wird wie der erste Teil, nämlich Martin Semmelrogge, war mir ja bekannt, doch eigentlich hieß es, der neue Sprecher, der die Lesung zu "Das Auge des Golem" übernehmen sollte, würde Peer Augustinski heißen. - Gab es auf der Homepage des Verlages nicht bereits eine Hörprobe mit ihm als Sprecher? Ich bin mir relativ sicher. Nun denn, jetzt heißt die neue Stimme also Gerd Köster - ein (zumindest mir) unbekannter Sprecher. Lassen wir uns also überraschen...
Doch erst zur Romanvorlage des britischen Schriftstellers: Ein Jahr nach dem Erscheinen seines Bestsellers "Das Amulett von Samarkand" legte Jonathan Stroud seinen Lesern die Fortsetzung um die Abenteuer des vorlauten Dschinn Bartimäus vor. Die Kunst, Charaktere glaubhaft weiter zu entwickeln und ihr Verhalten sowie ihre Beweggründe dieser Entwicklung anzupassen, beherrschen nur sehr gute Autoren. Durch den großen Zeitraum von guten zweieinhalb Jahren, die zwischen den Geschehnissen aus "Das Amulett von Samarkand" und "Das Auge des Golem" liegen, hat es sich Jonathan Stroud zudem nicht unbedingt leichter gemacht. Es bedarf doch einiger Vorstellungskraft, um sich überlegen zu können, wie eine bestimmte Figur sich über einen so langen Zeitraum hinweg verändert, wie sich ihre Ansichten und Einstellungen gewandelt haben könnten. Doch Stroud löst diese Aufgabe mit Bravour und präsentiert seine Charaktere glaubhaft und realitätsnah. Zwar ähnelt die Handlung des zweiten Bandes der Trilogie in ihrem Aufbau stark dem ersten Buch, doch dem Autor gelingt es, diesen mit neuen fantastischen Aspekten zu garnieren, sodass der Leser mit schönen und einfallsreichen Ideen überrascht wird. Neben dem Dschinn Bartimäus, der seine Erlebnisse oft aus der ersten Person berichtet, und dem jungen Zauberer Nathanael, dessen Part aus der Position eines unbekannten Dritten wiedergegeben wird, führt Jonathan Stroud für seinen zweiten Band nun eine weitere Hauptfigur ein: Das Mädchen Kitty, Mitglied der Widerstandsbewegung, hatte schon in "Das Amulett von Samarkand" einen kurzen Auftritt, nun jedoch entwickelt sie sich zu einem wichtigen Charakter und übernimmt die Rolle des Konfliktpartners Nathanaels. Da Kitty dem Leser bisher jedoch nahezu unbekannt ist, flicht der Autor viele Rückblicke über das Mädchen in die Haupthandlung ein und bringt dessen Vergangenheit dem Leser so näher. Während diese Ausschnitte aus Kittys Leben der Figur Leben verleihen und ihre Beweggründe auf einfache Weise aufzeigen, sind sie gleichzeitig jedoch stellenweise sehr langatmig. Zudem tauchen sie, vor allem während der ersten Hälfte des Buches, so häufig auf, dass die eigentlichen Geschehnisse unangenehmerweise ständig unterbrochen werden. Mehr noch, Bartimäus selbst, die Figur, der die Serie ihren Titel zu verdanken hat, tritt zumindest zu Beginn der Geschichte sehr in den Hintergrund. - Doch diese letzten Aufzählungen sind nur kleine Kritikpunkte, denn an und für sich hat Jonathan Stroud mit "Das Auge des Golem" eine Fortsetzung geschaffen, die zwar nicht ganz an den ersten Band der Trilogie heranreicht, die aber dennoch spannend und einfallsreich ist.
Wie bereits erwähnt, ist mir der Name Gerd Köster, im Gegensatz zur Romanvorlage, bisher unbekannt gewesen, ja, ich hatte sogar einen anderen Sprecher erwartet. So wusste ich nicht, was nun zumindest in dieser Hinsicht auf mich zukommen würde, wenn ich einmal die CDs in den Player eingelegt hätte. Die Bezeichnung "Allround-Talent", die dem Sprecher im knapp gefassten Booklet der Lesung zugeschrieben wird, wusste meine Erwartungen auch nicht in eine bestimmte Richtung zu lenken, zumal ich solchen Betitelungen stets von vornherein misstraue.
Doch bereits der Prolog der Geschichte, in welchem der Dschinn Bartimäus den Angriff der Engländer auf Prag schildert, ließen in mir den Verdacht keimen, dass mir die Interpretation des Sprechers nicht in allen Punkten behagen würde. Ohne Zweifel hat Gerd Köster eine sehr angenehme, warme Stimme und mit einem tiefen, angerauten Tonfall hat er eine sehr passende Stimmlage für Bartimäus erschaffen, doch das langsame Sprechtempo passt in meinen Augen überhaupt nicht zum Charakter des lebendigen, frechen, sarkastischen Dschinn. Vielmehr lässt die schleppende, breit gezogene Sprechweise Bartimäus müde und alt erscheinen. Auch während der übrigen Lesung - die der Sprecher etwas schneller liest - kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass Gerd Köster es zwar wunderbar beherrscht, jeder Figur ihre eigene Stimme zuzuordnen und ihr akustischen Charakter zu verleihen, es aber nur selten schafft, den Hörer auch von einer entsprechenden Stimmmodulation zu überzeugen. Meist wirken diese Stimmveränderungen nämlich leider gekünstelt und unnatürlich, präsentieren sich in ihrer gequetschten, genäselten oder gar gequiekten Art schon beinahe wie Karikaturbilder auf die Charaktere. Im Gesamten betrachtet gelingt es dem Sprecher jedoch, die Spannung des Romans durch passende Phrasierungen vor allem während der zweiten Hälfte der Geschichte für das Medium Hörbuch umzusetzen.
Allerdings hatte ich gehofft, die Beschreibungen von Kittys Vergangenheit würden stärker gekürzt werden, eben weil sie teilweise so langatmig sind und die Rahmenhandlung ständig unterbrechen - Ein Manko, mit dem auch die Romanvorlage zu kämpfen hatte. Hier wurde jedoch im Verhältnis wohl ebenso viel gekürzt wie auch im restlichen Teil des Romanes, sodass sich dies wieder aufhebt. Nicht selten gibt es während des Hörbuchs größere Sprünge in der Handlung, wenn ein längerer Abschnitt weggekürzt wurde, doch durch eine alles in allem geschickt gemachte Kürzung fallen diese Stellen meist nicht sonderlich auf und der Kontext oder Sinn der Erzählung wird nicht auseinandergerissen oder gar verfälscht. Allerdings fiel vor allem der Sarkasmus des vorlauten Dschinn - der sich im Buch ja oft auch durch Fußnoten widerspiegelte - der Schere zum Opfer.
Fazit:
Mit "Das Auge des Golem" legt Jonathan Stroud den zweiten Band seiner "Bartimäus"-Trilogie vor und hat damit eine Fortsetzung geschaffen, die zwar nicht ganz an das erste Abenteuer um den Dschinn Bartimäus heranreicht, die von ihm aber dennoch spannend, einfallsreich und fantasievoll gestaltet wurde. Trotz seiner angenehmen Stimme gelingt es dem Sprecher Gerd Köster jedoch nicht immer, die richtigen Stimmlagen für die verschiedenen Charaktere zu treffen; vielmehr klingen seine Modulationen leider oft unnatürlich. Insgesamt liegt mit dem vorliegenden Hörbuch jedoch eine Lesung vor, die sich vor allem Fans des frechen Dschinn gerne anhören werden.