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Lange bestand die russische Literatur aus Dostojewski und Konsorten, doch seit einigen Jahren kommt auch immer mehr russische Fantasy auf den deutschen Markt. Sergei Lukianenko hat dies unter anderem mit seinem "Wächter"-Zyklus eindrucksvoll unter Beweis gestellt. "Die geheime Geschichte Moskaus" ist Ekaterina Sedias erster Roman, doch nicht ihr erster Ausflug ins phantastische Genre. Man darf also gespannt sein.
In Moskau geschieht Seltsames: Menschen verschwinden auf wundersame Weise, scheinen sich sogar in Luft aufzulösen. Als Galinas Schwester Mascha auf die gleiche Art und Weise verschwindet und Galina sogar glaubt, sie in einer Dohle wiederzuerkennen, gerät ihre Welt aus den Fugen. Zufällig trifft sie den Straßenkünstler Fjodor, der mehr zu wissen scheint. Zusammen mit dem Polizisten Jakov machen sie sich auf die Suche nach den Vermissten - und finden im Untergrund Moskaus eine Welt, die alles, woran sie je geglaubt haben, auf den Kopf stellt. Bevölkert von Märchenfiguren, Halbgöttern und längst tot geglaubten Menschen, ist diese Unterwelt nicht nur faszinierend, sondern auch gefährlich. Werden sie hier die Vermissten finden? Wurden diese wirklich in Vögel verwandelt und wenn ja, warum? Die Antworten auf diese Fragen liegen jedoch tief im Verborgenen ...
Sedia benutzt eine evokative, bildgewaltige Sprache, die zugleich verzaubert und den Leser in dieser geheimnisvollen Welt vom phantastischen Einstieg bis zum Schluss festhält. Die Stimmung des Buches ist dunkel, etwas melancholisch und verzweifelt, was auch durch die Dringlichkeit, mit der Galina ihre Schwester sucht, immer wieder verdeutlicht wird. In ihren Beschreibungen von Personen, Stimmung oder Erinnerung beschwört Sedia Metaphern und Vergleiche herauf, die faszinieren und die gewaltigsten Bilder im Kopf des Leser hervorrufen. Dabei schweift sie jedoch nie ins Sentimentale oder allzu Hyperbolische ab; sie bleibt auf einer dem Leser vertrauten Ebene, lässt aber Assoziationen entstehen, die ungewohnt wirken und daher umso intensiver wirken.
Die Benutzung der volkstümlichen russischen Märchengestalten, wie etwa Kaschtschei dem Unsterblichen oder den Rusalki (Wassernymphen), ist besonders anziehend, sind diese Charaktere in Deutschland doch weniger bekannt als die berühmten Märchenwesen der Gebrüder Grimm.
Russische Märchengestalten gepaart mit einer interessanten Story, die jedoch mehr durch die ungeahnten Schrecken beeindruckt als durch Action, verfasst in einer atemberaubenden, wort- und bildgewaltigen Sprache, die nicht nur die Geschichte Russlands berührt, sondern auch seine Seele - was soll man da sagen, außer: lesen!