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"Paradise" heißt zwar dieser Comic, doch die Zustände in dem afrikanischen Land Mauranien, in dem eine junge Frau nach einem Flugzeugabsturz erwacht, sind alles andere als paradiesisch. Ihr Ausweis behauptet, sie würde Ann Smith heißen, doch sie selbst erinnert sich an nichts. Ihre Vergangenheit ist für sie zu einem schwarzen Loch geworden. Nun befindet sie sich im Palast des Prinzen von Madargane, wo sie versorgt wird. Der Prinz hält sich einen schwarzen Leoparden, zu dem Ann sofort Zutrauen findet. Da ihr Pass sagt, sie würde aus Genf kommen, will sie dorthin zurück. Doch das ist nicht so einfach, da ein Bürgerkrieg im Land tobt. Der Prinz gibt ihr eine Aufgabe: Die junge Frau soll den Leoparden zurück in seine Heimat bringen, was auch sie selbst in die Freiheit führen wird, doch dafür muss sie mit ihm einmal das komplett umkämpfte Land durchqueren.
Auf ihrer Reise begegnet Ann vielen Menschen, die sie kennen. Eine Narbe an ihrer Schulter offenbart, dass es sich bei ihr um die Tochter von König Rodon handelt, der mit eiserner Hand in Mauranien regiert. Doch die Bevölkerung nimmt seine Grausamkeiten nicht klaglos hin und Rebellen stellen sich ihm entgegen. So gerät Ann, die von all dem gar nichts mehr weiß, in das Kreuzfeuer zweier verfeindeter Parteien und sieht sich von beiden Seiten von Grausamkeiten umgeben. Außerdem ist sie gezwungen, ihrer Vergangenheit ins Gesicht zu blicken und zu erkennen, wo ihre Wurzeln liegen und wer sie wirklich ist. Dabei kämpft der schwarze Leopard beständig an ihrer Seite und lässt sie nicht im Stich. Und seine Rettung ist eigentlich das Einzige, was Ann im Sinn hat. Doch das Schicksal mischt die Karten gerne neu...
Dieser Comic ist ein Symbiont der "Paradise"-Welt. Ihm gegenüber steht das gleichnamige Computerspiel, welches haargenau die gleiche Geschichte mittels eines völlig anderen Mediums erzählt. Beide können jedoch völlig unabhängig voneinander genossen werden.
"Paradise" ist eine düstere Geschichte voller Brutalität und Gewalt. Trotzdem steht diese nicht im Vordergrund oder wird gar als Gemetzel dargestellt. Tatsächlich ist die Handlung eher beschaulich und hat auch viele ruhige Momente. Ein Highlight sind hier die einzelnen Reiseetappen Anns durch die Wildnis. Einmal reitet sie zum Beispiel gemeinsam mit dem Leoparden auf dem Rücken eines blinden Elefanten durch die Wüste. Diese Szene ist nicht nur eine Augenweide, sondern zeigt auch die Symbolkraft hinter den Bildern. Es geht darum, was das Leben aus Menschen machen kann, wenn es sich nicht so abspielt, wie wir uns das wünschen würden. So erfährt man nach und nach, was wirklich mit Ann passiert ist und was das für Auswirkungen auf ihren Vater gehabt hat. Es geht in erster Linie um die Menschen und ihre Gefühle. Als Leser kann man sehr intensiv an ihnen teilhaben.
Das Besondere an der Welt, in der "Paradise" spielt, ist die zarte Vermischung von absolut Realem mit fantastischen Einschüben. So existiert dieses Afrika, das wir hier sehen, in Wirklichkeit gar nicht. Es tauchen Tiere auf, die den uns bekannten lediglich ähneln, die aber eher wie Mischungen aus bekannten Arten aussehen. Auch Mauranien selbst sowie all seine Bewohner entspringen der Fantasie des Autoren. Diese zarte Andersartigkeit ist für eine Geschichte wie diese eher ungewöhnlich, entspricht aber genau Autor Benoît Sokals Stil. Besonders gelungen sind die Farbwelten, in denen sich die Geschichte präsentiert. Einschlägige Ereignisse werden gerne in sehr intensiven Farben dargestellt, was ihre Bedeutung für den Leser sehr gut fassbar macht. Passend zum Umfeld ist ansonsten alles in Grau, Braun und Grün gehalten und spiegelt die Trostlosigkeit wider, die Mauranien umfängt. Einige Skizzen und Hintergrundinformationen, die der Geschichte vorangestellt wurden, sowie die edle Aufmachung im Hardcover mit Schutzumschlag runden das Erscheinungsbild des Comics ab.
Fazit: "Paradise" ist ein Comic für Leser, die gerne von schweren Schicksalen lesen und die auf zarte Weise an der Geschichte eines Landes teilhaben wollen, das im Bürgerkrieg gefangen ist.