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Superman hat den normalen Menschen gegenüber einen riesigen Vorteil: Er kann genau in dem Moment verschwinden, in dem jemand versucht ist, über emotionale Kompetenz zu lamentieren. Auch bei Büchern kann man oft getrost vorbei gehen. Hier mischen sich Gehörtes, mangelhaft Gelesenes und plumpe Wünschbarkeiten zu etwas, was man seinem Hund nicht zu fressen geben würde.
Nun steht der Spektrum-Verlag an sich schon für Qualität und lesbar aufbereitete Wissenschaftlichkeit. Darf man an diesem Buch vorbeigehen? Die Antwort ist nein, mit einem kleinen Naja.
In dreiundzwanzig Kapiteln stellt der Autor biologische Grundlagen der Emotionen vor und deren Wechselspiel mit der Persönlichkeit und dem sozialen Umfeld. Dabei findet sich schon bei der ersten Übersicht über die Kapitel eine solche Bandbreite von Themen, dass man erstmal erstaunt ist. Neben einer Einführung in die Informationsverarbeitung im Gehirn findet man die Entwicklung emotionaler Reflexionsfähigkeit im Laufe eines Menschenlebens, neben einem Kapitel zur Menschenkenntnis gibt es ein Kapitel zur eigenen Charakterentwicklung, neben Tipps, wie mit Dauerstress umgegangen werden kann, gibt es einen Abschnitt, wie man Teams konstruktiver mitgestalten und/oder führen kann. Intelligenz, Angst, Motivation, Empathie und Sympathie - zu all diesen Aspekten schreibt Wolfgang Seidel.
Insgesamt werden die Kapitel in zwei große Abschnitte unterteilt. Die ersten zwölf Kapitel beziehen sich auf die persönliche Ebene der emotionalen Kompetenz, die weiteren elf Kapitel fokussieren die soziale Ebene.
Jedes Kapitel greift einen Aspekt heraus, ist durch Beispiele und Diagramme hilfreich ergänzt und wird von einer Liste der wichtigsten Thesen und Vorschlägen zur Verhaltensänderung beziehungsweise Übungen abgeschlossen. Dadurch kann man das gesamte Buch auch wie einen Lehrgang lesen.
Wie also ist das Buch zu bewerten? Zunächst sehr gut. Wenn es einen größeren Fehler gibt, dann allerhöchstens den, dass der Autor jeden Faden ganz zu Ende führen will. Ein bisschen darf der Leser auch mitdenken. Zweifellos gibt es Leser, die sich Bücher wie Schmuck in ihr Dasein hängen, die lesen, aber daraus für sich keine Konsequenzen ziehen. Ob man diese aber mit solch einer Leserfreundlichkeit fängt?
Jedenfalls ist dieses Buch didaktisch so hervorragend aufbereitet, dass es sich wie von selbst einprägt. Es eignet sich also, trotz des komplexen Themas, sowohl als Ferienlektüre wie als Begleitbuch für gestresste Seelen, für interessierte Laien und Praktiker sowieso.
Wissenschaftliche Kontroversen werden nicht aufbereitet, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck des Buches. Es lenkt entschieden den Blick auf zentrale Ergebnisse der jüngsten Forschung und welche Konsequenzen sich für uns im Alltag daraus ergeben. Es ist ein Buch für die Praxis.
Einen leicht sauren Beigeschmack gibt es dann allerdings doch. Je mehr sich der Autor in den sozialen Bereich vorwagt, umso mehr schleichen sich hier Ansichten ein, die zwar schön sind, aber die Eigendynamik von Gruppen nicht mehr in den Blick bekommen. Hier liegt der Fokus immer noch auf dem einzelnen Menschen, der zwar auch im Team sehr wichtig ist, aber durchaus in die Mühlen der Teamdynamik geraten kann. Genau hier fehlt ein Stück von dem Gesamtkuchen. Das macht das Buch zum Ende hin nicht schwächer, wenn man dieses Fehlen im Blick behält. Nicht alles kann, nicht alles sollte ein Buch leisten. Aber ein Hinweis auf eigene Grenzen wäre an solchen Stellen schon hilfreich.
Trotzdem kann man dieses Buch nur empfehlen. Sachlichkeit und Lesbarkeit, Erkenntnisse der Forschung und deren praktischen Konsequenzen, all dies kann der Autor als eine notwendige Einheit vermitteln. Wer nicht professionell sowieso jedes Buch zu diesem Thema liest, findet hier eine intellektuelle Bereicherung und eine echte Perle.