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 Enzyklopädie des Nationalsozialismus

Aktualisierte Neuausgabe


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Kaum ein anderes (zeit-)geschichtliches Phänomen wurde in den letzten Jahrzehnten so immens ausgeschlachtet wie der Nationalsozialismus: Eigene Institutionen und Universitätseinrichtungen beschäftigen sich allein mit dieser Erscheinung des 20. Jahrhunderts, im Geschichtsunterricht wird auf diese Materie besonderes Augenmerk gelegt, Filme über Hitler, Stauffenberg & Co. sollen die Kinokassen füllen und auch Comics und Videospiele greifen gerne öfters auf das "Tausendjährige Reich" zurück. Angesichts der nicht enden wollenden Lawine an seriöser Fachliteratur wie auch an pseudowissenschaftlichem Schund ist es oft nicht leicht, sich in diesem riesigen Themenkomplex zurechtzufinden: Womit verbindet man den Namen Reinhard Heydrich? Was waren die unmittelbaren Folgen des Münchner Abkommens? Was verbarg sich tatsächlich hinter Himmlers Lebensborn? Ein zuverlässiges Nachschlagewerk ist nicht selten vonnöten - wie etwa die zum modernen Klassiker avancierte "Enzyklopädie des Nationalsozialismus", die seit Oktober 2007 in einer aktualisierten und erweiterten Neuausgabe erhältlich ist.

Ein Mangel an Ehrgeiz kann den Herausgebern nicht gerade vorgeworfen werden: Auf über 990 Seiten wurden unter Mitarbeit von mehr als 130 renommierten Autoren Informationen zu sämtlichen Bereichen der NS-Ideologie und der darauf aufbauenden Schreckensherrschaft zusammengetragen. Der Leser soll sich - so das angestrebte Ziel - über sämtliche Institutionen und Einrichtungen, politischen und ideologischen Facetten, Daten und Ereignisse (erst)informieren können. Dieser Zielsetzung kommt der dreiteilige Aufbau der Enzyklopädie sehr entgegen - gleichzeitig einer der größten Vorzüge des Werkes.

Den Anfang macht ein Handbuchteil, dessen 25 Aufsätze grundlegende Aspekte des Nationalsozialismus - als Ideologie wie auch als praktizierte Herrschaft - behandeln. Übersichtlich und präzise gestaltete Abhandlungen sollen dem Benutzer Basiswissen in den unterschiedlichsten Bereichen vermitteln, die Palette reicht vom Führerkult zur Wehrmacht, von der Kultur- zur Außenpolitik. Damit eignen sich die Einzeldarstellungen als erste einführende Literatur zu bestimmten Themenkomplexen, zumal den Abschluss eines jeden Beitrags eine - bedauerlicherweise unkommentierte - Auswahlbibliografie bildet. Die schwierige Aufgabe, solch umfangreiche Themen im Angesicht eines eingeschränkten Seitenkontingents aufzureißen, wurde im Allgemeinen sehr gut bewältigt; auch wenn die Gewichtung durch die Autorenvielfalt von Artikel zu Artikel mitunter stark variiert, so wird doch nie das Ziel, eine einführende Darstellung zu schaffen, aus den Augen verloren.

Den zweiten Teil der Enzyklopädie bildet ein Sachlexikon: Von A wie Abrüstung bis Z wie Zyklon B deckt das Nachschlagewerk sämtliche Aspekte des Nationalsozialismus ab, knapp, aber präzise informieren über tausend Stichwörter den Benutzer über das gesamte Spektrum des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges. Die einzelnen Artikel wurden mittels Querverweisen konsequent miteinander vernetzt, ohne aufdringlich zu wirken. Auf überflüssige Abbildungen wurde verzichtet, um dem Informationsbedürfnis Rechnung tragen zu können, wo notwendig oder hilfreich, unterstützen Karten, Tabellen oder Organigramme den jeweiligen Eintrag. Eine gewisse Unausgewogenheit hinsichtlich der Auswahl der Lemmata ist allerdings nicht von der Hand zu weisen: Während sich Begriffe wie Werwolf, Julleuchter oder Rieucros problemlos nachschlagen lassen, finden etwa die Auschwitzprozesse der Sechziger Jahre in gerade einmal einem Satz im Artikel zu den Nachkriegsprozessen Behandlung, über die "Mühlviertler Hasenjagd" wird überhaupt kein Wort verloren. Ebenfalls bedauerlich ist die allzu häufige Abwesenheit von weiterführender Literatur, selbst der Warschauer Aufstand, der Stahlhelm-Bund oder die Innere Emigration müssen ohne Literaturhinweise auskommen. Hier herrscht im Falle einer Neuausgabe der "Enzyklopädie des Nationalsozialismus" Verbesserungsbedarf.

Als Schlusslicht fungiert ein umfangreiches Personenregister, mit welchem die Herausgeber aber keinen Blumentopf gewinnen können: Einerseits fallen die biografischen Angaben nicht selten äußerst mager aus, gleichzeitig fanden nur jene Personen Aufnahme in das Register, welche auch in Teil eins oder zwei der Enzyklopädie in Erscheinung traten - auch jene, die mit dem Nationalsozialismus in keiner Weise in Kontakt stehen, etwa weil sie Jahrhunderte vor dieser Erscheinung gelebt haben. So lassen sich in Gesellschaft von Heinrich Himmler und Horst Wessel die Namen Friedrich Barbarossa, Anton Bruckner und Napoléon Bonaparte finden, während manche/r Autor/in der Exilliteratur ebenso außen vor gelassen wurde wie die Hauptankläger des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher.

Das hochgesteckte Ziel der Herausgeber fordert seinen Tribut, aber trotz kleiner Mängel hält man mit der "Enzyklopädie des Nationalsozialismus" ein absolut zuverlässiges und kompetentes Nachschlagewerk in den Händen, das sich vor allem durch seinen Aufbau und die Tatsache, dass es sämtliche Bereiche eines der dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts abdeckt, auszeichnet. Für den Studenten der Zeitgeschichte ist seine Anschaffung ebenso empfohlen wie für den am Nationalsozialismus interessierten Hobbyhistoriker.

Michael Höfel



Softcover | Erschienen: 01. Oktober 2007 | ISBN: 9783423344081 | Preis: 29,50 Euro | 991 Seiten | Sprache: Deutsch

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