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Die Târ ist eine doppelbauchige Laute mit einem langen schmalen Hals, um die sich zahlreiche Mythen und Riten ranken. Der Resonanzkörper aus Holz vermittelt beinahe den Eindruck, als würden sich die Spitzen zweier Herzen zart berühren. Angeblich ist die Seele ihres Besitzers so eng mit seinem Instrument verwoben, dass bei dessen Tod die Saiten zugrunde gehen. Deshalb darf die Târ über die Generationen hinweg ausschließlich von dem Vater an den ältesten Sohn weitergeben werden und nur dieser kann das Instrument wieder zum Leben erwecken und die Saiten zum Klingen bringen.
Doch als Weißbart stirbt, der Vater von Hossein und Nur, will die Târ ihren Zauber nicht entfalten und der älteste Sohn entlockt den Saiten nur spröde Klänge. Sogar über Ohrensausen und andere Unpässlichkeiten klagt er, die ihren Ausgang von dem Instrument zu nehmen scheinen, das unscheinbar am Türpfosten des Hauses hängt.
Schließlich verbrennt Hossein mit seinem Bruder Nur die leidigen Saiten, die ihren Dienst versagen und nichts als Kummer und Schmerz verursachen. Mit dem Bruder begibt er sich auf einen Weg, der ihm nach einigem Ungemach doch noch hilft, sein Schicksal zu erfüllen, sein rechtmäßiges Erbe anzutreten und ein gut gehütetes Geheimnis zu ergründen ...
Nachdem Yasmine Ghata schon mit "Die Nacht der Kalligraphen" große Erfolge erzielte und Begeisterung hervorrief, gelingt ihr mit "Die Târ meines Vaters" ein weiteres feines Kunststück. Man ist neugierig, welches Thema sie sich wohl als nächstes aussuchen wird. Jedenfalls hofft man auch nach der Lektüre dieses Buches, das ihr der Stoff und die Inspiration noch lange nicht ausgehen mögen.
Nicht die exquisit geschwungene Schrift ist diesmal Thema, sondern die Musik, eine andere der schönen Künste. Sie nimmt ihren Ausgang beim Höchsten und sucht sich ihre Instrumente und Kanäle, durch die sie wirkt und Wunder vollbringt. "Was nicht im Herzen ist, kann auch die Musik nicht hervorlocken" oder vielleicht sollte man sagen, die beste Technik und selbst fleißiges Üben ersetzen niemals die Inspiration.
Auch diesmal wieder geht es sehr mystisch zu bei Yasmine Ghata und die Toten lassen die Lebenden nicht zur Ruhe kommen und treiben ihr Unwesen. Doch letztendlich siegt das Leben über den Tod, das Licht über Dunkelheit und Schatten, die in Form von sorgsam gehüteten Familiengeheimnissen rumoren und durch die Geschichte geistern. Letztendlich erfüllt sich die Bestimmung und die enthüllten Geheimnisse verhallen im unendlichen Raum. Doch auch die Gnade fordert ihren Preis.
Yasmine Ghata erzählt ihre Geschichte in drei Teilen, in denen sie die Söhne von Weißbart und dessen Gegenspieler Mohsen und seine Frau zu Wort kommen lässt. Die libanesischstämmige Autorin, die in Frankreich lebt, beweist auch diesmal wieder ihre große Erzählkunst und ihre Lust am Fabulieren, ihr märchenhafter Stil fesselt die Leser bis zum Schluss. Sie ist eine Meisterin der feinen Töne und der Zwischentöne, der Pausen und der Absätze, der Höhen und Tiefen. Es findet sich Beglückendes, Ergreifendes, Grausames, Stilles, Ungerechtes. Die Geschichte entwickelt sich mit Bedacht und die Themen scheinen immer wieder auf, mal von dem einen Sohn erzählt, dann von dem anderen, und bewegen sich auf den Höhepunkt und die Auflösung des Geheimnisses zu. Im letzten Teil lässt die Autorin die Geschichte behutsam ausklingen. Die Erzählung hinterlässt einen schönen Nachklang und man fühlt sich innerlich angerührt, bewegt und bezaubert.
Raum findet die Erzählung in einem schön gestalteten grauen Leinenbuch mit Lesebändchen und einem ansprechenden Schutzumschlag, ein wahres Kleinod.