Die Gerüchte in der Matrix und in den Schatten werden immer lauter. Der Matrix-Crash 2.0 hat nicht nur Existenzen vernichtet, den Geist von Menschen zerrüttet oder sie schlicht getötet, sondern auch etwas komplett Neues geschaffen. Mal wird von den neuen Otaku geredet, mal von Technowizards, doch die Bezeichnungen beschreiben stets Personen, die allein durch ihre Gedanken die Matrix manipulieren können. Von ihnen und weiteren Überraschungen im Datenstrom handelt "Emergenz".

Schon auf den ersten Seiten des Buches merkt man, dass die darin beschriebenen Ereignisse ein großes Potential an Spielspaß bergen. Schon die Darstellung allein macht dem Leser große Freude. Statt langweilige Zeittabellen und Infokästen zu lesen, wird man mitten in das Geschehen im JackPoint-Forum hineingerissen. Hier diskutieren die eingeladenen Gäste über die zeitnahen Geschehnisse, präsentieren Schauermärchen aus den Schatten und laden Dateien mit interessanten Informationen hoch.

Auf diese Weise erfährt man vom ersten offiziellen Auftauchen der Technomancer, die gleich schon in der ersten Aktion halb Hong-Kong in Brand setzen und Panik auslösen, weil sie das Netz stören. dass dies nicht die ganze, nicht einmal die halbe Wahrheit ist, beweist der darauf folgende Shadowtalk, in dem penibel seziert wird, welcher Konzern seine dreckigen Finger im Spiel hat und was eigentlich gespielt wird. Daraufhin entzündet sich die Gewalt und eine Hetzjagd auf Rigger, Hacker und andere Verdächtige beginnt. Ein weiterer Konfliktherd entzündet sich, als eine Künstliche Intelligenz namens Sojourner die Raumstation Tlaloc kidnappt und damit droht, Biowaffen auf beliebige Städte loszulassen, wenn weiterhin digitale Intelligenzen gefoltert und getötet werden. Diese Bombe entfacht die etwas abgeflaute Panik neu und Erinnerungen an den Crash 2.0 werden wach. Als dann allerdings noch Videoclips auftauchen, in denen Technomancer seziert, gequält und untersucht werden, bekommt wenigstens diese neue Spezies ein wenig Mitleid von ihren Mitmenschen. Und auch für die Künstlichen Intelligenzen werden Stimmen laut. Doch die Zeit wird zeigen, wie sich diese rasanten Geschehnisse wirklich auswirken.

Der Ergänzungsband "Emergenz" handelt insgesamt die bewegenden Ereignisse im Jahr 2070 ab. Durch die offizielle Bestätigung von Technomancern und das Auftreten von KIs in der Öffentlichkeit geraten die Festen der Realität für viele Bürger ins Wanken. Gleichzeitig bergen diese Geschehnisse für Shadowrunner auch ungeahnte Möglichkeiten, Geld zu verdienen, sich lieb Kind zu machen, anderen Leuten auf den Schlips zu treten und selbst im Fadenkreuz zu stehen. Eingebettet in den erzählenden Shadowtalk findet der Leser immer wieder Abschnitte, in denen kurz beschrieben wird, wie die Ereignisse wirklich stattgefunden haben, was das Bild der Öffentlichkeit ist, wie die Medien dazu stehen und was die Auswirkungen in der Politik sind. Von großem Interesse sind aber auch die Abenteuervorschläge. Teils nur angedacht, teils schon grob formuliert, findet man hier wichtige Ereignisse, mit denen man die eigenen Spieler dicht an die historischen Wendepunkte heranführen und ihre eigenen Schlüsse ziehen kann. Besonders gut ist hierbei, dass sich im Laufe der Ereignisse auch der Standpunkt der Charaktere zu den Themen sehr stark wandeln kann, was ein interessanter rollenspielerischer Effekt ist.

Im Endeffekt kann man dieses Buch nur jedem Spielleiter ans Herz legen, da hier grundlegende Ereignisse beschrieben werden, die das Bild der Metamenschheit von der digitalen Welt von Grund auf verändern. Die regeltechnischen Konsequenzen dazu finden sich im Regelbuch "Vernetzt", besonders die spielerischen Details zu KIs. Auf dieses Buch kann man nicht verzichten, denn hier findet man eine gut ausgearbeitete Umwälzung, die Anlass zu heißen Diskussionen und einer großen Zahl an Anknüpfpunkten für Runs bietet.

Für Spielleiter auf jeden Fall ein Muss, doch auch Spieler können sich hier nützliche Informationen zulegen und gleichzeitig viel Freude an dem stimmigen Shadowtalk haben.