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Der kleine Bär wohnt in einem großen Haus in der Stadt. Hier spaziert er nachts munter durch die Leitungsrohre. Hinauf und hinunter, kreuz und quer geht es durch Heizungsrohre, Luftschächte und Wasserrohre. Der Bär marschiert von einem Stockwerk zum nächsten, von Wohnung zu Wohnung - dabei streckt er auch schon mal seine Tatze aus einem offenen Wasserhahn.
Der kleine Bär weiß deshalb auch genau, was in dem Haus so los ist. Er hört das kleine Mädchen im dritten Stockwerk aufschreien, das sich die Hand verbrannt hat, und die Köchin Wilhelmine jammern, dass der Ofen so schlecht zieht. Nachts schaut er sich den Mond an und nimmt ein Bad in der Zisterne unter dem funkelnden Sternenhimmel. Danach rutscht er wieder durch die Rohre. Den Mietern gefallen diese mysteriösen Geräusche weniger gut und sie wollen sich beim Hausmeister beschweren. Aber dieser ist glücklicherweise nicht aufzufinden. Und so gleitet der kleine Bären weiter des Nachts durch die Rohre und ab und zu durch einen offenen Wasserhahn. Dann betrachtet er die Menschen, die in ihrem Schlummer einsam und plump in ihren Betten liegen und im Schlaf reden. Und am nächsten Morgen, wenn sie sich das Gesicht waschen, leckt er ihnen über die Nase und schlüpft zufrieden wieder zurück durch den Wasserhahn mit dem Bewusstsein, etwas Gutes getan zu haben.
Die "Rede des Bären" ist ein Gedicht des international bekannten argentinischen Autoren Julio Cortázar. Der fantastisch-surreale Text, in dem es um die nächtlichen geheimnisvollen Geräusche in einem Haus geht, ist für Erwachsene genauso interessant wie für Kinder. Erschienen ist das gebundene und durchgehend farbig illustrierte Buch von 32 Seiten 2009 im Bajazzo Verlag, der ja bekannt ist für seine Reihe der "etwas anderen" Bücher.
In seiner Rede schildert der Bär seine nächtlichen Abenteuer und wie er vom Dach bis in den Heizungskeller die mysteriösen Eingeweide eines Mietshauses erkundet und sie dabei mit seinem Fell sauber hält. Er berichtet auch von den Bewohnern des Hauses, mit denen er nicht tauschen möchte - so badet er doch unter dem Sternenhimmel, wenn diese in ihren Betten liegen. Es ist ein literarischer Text, der aber dennoch auch von Kindern gut verstanden wird - das Buch wird ab einem Alter von fünf Jahren empfohlen. Dem Autoren gelingt es dabei gut, das Geheimnisvolle des Lebens unter der Oberfläche im Inneren eines Hauses in seinem Text widerzuspiegeln. Er spürt das Unerklärliche und Störende auf und verwandelt es mit viel Fantasie in wunderbare Poesie. So hat auch alles zunächst Negative noch seine guten Seiten.
Der Spanier Emilio Urgeruaga, von dem bereits zahlreiche Bilderbücher in deutscher Sprache erschienen sind, zeichnet die Geschichte in sehr ansprechenden Bildern. Die Illustrationen, die über die gesamte Seite gehen, sind sehr frei und haben etwas Ursprüngliches. Die Farben haben stellenweise einen etwas verrußten Schimmer, der stammt sicherlich von den Heizungsrohren. Nur der Bär ist leuchtend rot, denn der nimmt ja nachts sein Bad in der Zisterne. Die Bilder passen sehr gut zu dem Text von Cortázar und sind an keiner Stelle kitschig oder süßlich. Man schließt den kleinen roten Bären sehr schnell in sein Herz und kann das Buch auch immer wieder zur Hand nehmen, es betrachten oder lesen - hier zeigt sich die Qualität von Text und Bildern und auch wieder einmal, das selbst große Literatur schon jüngeren Kindern vermittelt werden kann, bei diesen auf Interesse stößt und hier den Weg bereitet.
Ein schönes Buch zum Vorlesen, Betrachten und Verschenken - auch an sich selbst.