Caravaggio steht mit den von ihm kreierten Charakteren und seiner Darstellungsweise in seiner Zeit relativ isoliert da. Seine Kunst wurde von einigen niederländischen Künstlern aufgegriffen und weiterentwickelt, sodass es zu einer ganzen Reihe von Kunstwerken kam, die sich stark vom damaligen, zumeist idealisierenden Kanon abheben.
Das Frankfurter Städel Museum hat Caravaggio und den Niederländern in seiner Nachfolge von April bis Juli 2009 eine Ausstellung gewidmet, deren Katalog Gegenstand des hier besprochenen Werks aus dem Hirmer Verlag ist.
Freilich handelt es sich dabei nicht nur um einen Katalog, in dem die ausgestellten Werke aufgelistet, abgebildet und kommentiert werden, sondern der Leser findet in diesem Band im Anschluss an das Vorwort auch sechs Essays zu Themen, die unmittelbar in Zusammenhang mit der Ausstellung stehen. Der Kürze halber seien nachfolgend einfach die Titel der Essays aufgeführt, weil diese die Inhalte optimal widerspiegeln:

- Erfahrungshorizont Rom. Die Musikantenbilder Caravaggios und der italienischen Caravaggisten
- Laboratorium Utrecht. Baburen, Honthorst und Terbrugghen im künstlerischen Austausch
- Das früheste Werk Hendrick Terbrugghens. Materialtechnische Untersuchungen im Centraal Museum in Utrecht
- "Hätte ich nun einen Burschen, der mir die Laute spielte". Vom Lautenschlagen, Saitenstimmen und Flötenblasen
- Musik in Utrecht zur Zeit der Caravaggisten
- Die Gemälde von Dirck van Baburen, Hendrick Terbrugghen und Gerard van Honthorst auf dem deutschen Kunstmarkt im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Kennerschaft

Den reich anhand von Bildern und Bilddetails aus der genannten Ausstellung, zum Teil auch mittels nicht ausgestellten Bildern und Bildausschnitten illustrierten Essays schließt sich der eigentliche Katalog an, gefolgt von Literaturverzeichnis, Impressum und Abbildungsnachweis.

Hauptthema von Ausstellung und Katalog sind die oftmals derben Szenen, in denen Musiker oder Prostituierte, nicht selten beides in einer Person oder in derselben Gruppe, die Hauptrolle spielen - gering geschätzte Mitglieder der Gesellschaft zur Zeit der Caravaggisten und somit ein ungewöhnlicher Portraitgegenstand.
Wer das Buch zur Vor- oder Nachbereitung der Ausstellung nutzen möchte, erhält in den Essays viele hochinteressante und trotz der inhaltlichen Dichte und Qualität auch für Laien gut verständlich aufbereitete Informationen, dank derer sich der Weg von Caravaggios Themen und Stil nach Holland gut nachvollziehen lässt; ebenso werden die Bedeutung der Musik in den Werken der Caravagisten - und Caravaggios selbst - sowie die Rezeption ihrer Bilder und etliche weitere bedeutende Aspekte erläutert. Auch Kunstinteressierte, denen ein Besuch der Ausstellung nicht möglich ist oder war, finden darin hochwertige Informationen zu einem sehr interessanten Thema. Ähnliches gilt für den Katalogteil, der sich keineswegs nur an Ausstellungsbesucher wendet, sondern auch unabhängig von der Ausstellung selbst einen umfangreichen und wertvollen Bildband darstellt.
Zu jedem Werk der Städel-Ausstellung erhält der Leser Angaben über Titel, Entstehungsjahr, Material, Maßen, Bezeichnung, Besitzer und gegebenenfalls Inventarnummer sowie Literaturhinweise. Es folgt eine ausführliche Erläuterung, die nicht nur Gegenstand, Inhalt, Symbolik und eingesetzte Technik umfasst, sondern ebenso den Kontext, in dem das Werk bezüglich des Schaffens des Künstlers, im (sozio-)kulturellen Bereich sowie unter allgemein unter kunsthistorischen Gesichtspunkten zu sehen ist.
Zu jedem präsentierten Werk gibt es eine ausgezeichnete großformatige Abbildung. Zwei dieser Abbildungen werden etwas unglücklich durch den Falz in der Doppelseitenmitte "zerschnitten", was dem ungewöhnlichen Format der Originale geschuldet ist und wohl nur mittels einer wesentlich geringen Abbildungsgröße hätte umgangen werden können.
Nicht zuletzt dank der erwähnten Essays mit ihren bestens verständlich dargebotenen Hintergrundinformationen stellt dieser in jeder Hinsicht hochwertige Katalog eine Bereicherung der "Bibliothek" jedes Kunstfreundes dar, der sich für Portrait- und Genremalerei interessiert.