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 Menschenhafen

Autoren: John Ajvide Lindqvist
Übersetzer: Paul Berf
Verlag: Bastei Lübbe

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Es soll ein netter kleiner Ausflug im Schnee werden: Zusammen mit ihrer sechsjährigen Tochter Maja wandern Anders und Cecilia zum alten Leuchtturm auf Gåvasten. Der Familienausflug wird zum Horrortrip, nach dem nichts mehr so ist, wie es war - Maja verschwindet spurlos, im wahrsten Sinne des Wortes. Im weiten Schneefeld um den Leuchtturm gibt es keine Spuren, und es ist ausgeschlossen, dass die Sechsjährige im zentimeterdicken Eis eingebrochen ist. Kurz vor ihrem Verschwinden hat Maja allerdings aufgeregt auf eine Stelle auf dem Eis gedeutet, wo Anders überhaupt nichts entdecken konnte. Was hat das Mädchen gesehen?

Zwei Jahre später kehrt Anders, inzwischen von seiner Frau getrennt und durch den Verlust seiner Familie gebrochen und zum Trinker geworden, nach Hause zurück, auf die Insel Domarö. Hier beginnen eine Reihe merkwürdiger Ereignisse ihren Lauf zu nehmen, und Anders erhält eine rätselhafte Botschaft, die nur von Maja stammen kann. Lebt seine Tochter noch? Ist sie, so unwahrscheinlich es klingen mag, ein Geist, der Kontakt zu Anders aufnehmen will? Anders beginnt sich zu erinnern, dass die Dinge auf Domarö immer etwas anders gelaufen sind und dass es durchaus merkwürdige Ereignisse in der Vergangenheit gab. Nun scheinen die Gespenster von damals die Insel und ihre Bewohner heimzusuchen. Was hat es mit Gåvasten auf sich und welches Geheimnis hüten die schweigsamen Inseleinwohner?

John Ajvide Lindqvist, der mit seinem genialen Roman "So finster die Nacht" einen großen Erfolg feierte, zeigt auch in "Menschenhafen", worauf er sich versteht: Horrorerzählungen, die nicht platt und allzu plakativ sind, sondern die einen ganz langsam in ihren Bann ziehen und vor allem beklemmende Stimmung aufbauen.
Die schwedische Schäreninsel Domarö eignet sich vorzüglich für diese Atmosphäre voller Beklemmung, Einsamkeit und Merkwürdigkeiten. Die Insel liegt zwar nicht wirklich abgeschnitten, aber doch recht einsam in den skandinavischen Schären, die Bewohner sind recht eigenbrötlerisch und betrachten Leute von außerhalb mit Misstrauen, wenn auch nicht unbedingt mit Feindseligkeit.
Tatsächlich beginnt "Menschenhafen" ganz und gar nicht als Horroroman. Ein Kind verschwindet. So tragisch das auch ist, es ist zunächst mal nicht gruselig. Doch da sind Anzeichen, sehr subtil beschrieben, die den Leser mehr und mehr beunruhigen und ihn zwingen, Seite um Seite umzublättern. Die Geschichte braucht sehr viele Seiten, um in Fahrt zu kommen, und berichtet viel aus der Vergangenheit - der von Anders, der von Cecilia und der von Anders‘ Großvater Simon und seiner Frau Anna-Greta, die ebenfalls entscheidende Rollen in dieser Erzählung spielen. Die kleinen und großen Rückblenden besitzen ihren eigenen Reiz, langweilen zu keiner Sekunde und fügen sich, einem Puzzle gleich, immer mehr und mehr zu einem stimmigen Ganzen zusammen.
So kommen nach und nach immer mehr übersinnliche Elemente hinzu. Lindqvist versteht sich wirklich ausgezeichnet darauf, Stimmungen zu erzeugen, Menschen zu beschreiben und die Abgründe in ihnen. Zwar ist "Menschenhafen" menschlich gesehen etwas weniger drastisch als das deprimierende "So finster die Nacht", aber doch stellenweise recht hart. Nach einiger Zeit verlässt der Autor die subtile Schiene vollends und fängt an, plakative Horrorelemente einzubringen, so dass das Buch stellenweise an "Friedhof der Kuscheltiere" erinnert. Beide Abschnitte des Romans - die subtil-verstörenden und die plakativ-gruseligen - wissen gleichermaßen zu gefallen und fesseln den Leser. Dazu trägt auch die sehr präzise, lebensechte und detaillierte Schilderung von Land und Leuten in den Schären bei, deren doch recht eigenwillige, autonome Lebensart allein schon zu faszinieren und unterhalten weiß. Lindqvist ist zweifellos ein begabter Schriftsteller mit einem sehr guten Gespür für Menschen und Stimmungen. Wer gruselige, intensive und dennoch nordisch-kühle Erzählungen mag, in denen stets die Menschen im Vordergrund stehen, sollte sich diesem Autor unbedingt widmen.

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2009 | ISBN: 9783785760062 | Originaltitel: Människohamn | Preis: 14,95 Euro | 560 Seiten | Sprache: Deutsch

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