Neben den üblichen Malkursen für die menschliche Anatomie, Stillleben oder Landschaftsbilder gibt es auch so manches Buch, das sich auf eher ungewöhnliche Themen spezialisiert. Dazu gehört etwa die Gestaltung von Fantasyfiguren, wie sie im Buch "Fantasy-Figuren zeichnen" von Jessica Peffer vorgestellt wird.

Die amerikanische Illustratorin und Zeichnerin, die Insidern vor allem unter dem Namen "NeonDragon" geläufig sein wird, möchte mit dem fast 130 Seiten umfassenden Werk Hilfestellungen geben, Kreaturen der Fantasy ordentlich zu zeichnen. Als Grundlage dient ihr ganz eigener Zeichenstil, der sich in all den tollen Bildern des Buches wiederfindet. Umso überraschender ist es da, dass für das Covermotiv ein vergleichsweise recht mittelmäßiges Werk herangezogen wurde.

Den Leser erwarten zunächst einige Textpassagen vorab, zu denen eine kurze Einleitung, Tipps für die Benutzung des Buches sowie ein Vorwort gehören. Letzteres geht direkt über zum Menschen zeichnen. Allerdings geht es hier nicht nur um die richtige Technik zur Gestaltung von menschlichen Figuren, sondern es werden auch essenzielle Begriffe wie Grundformen, Schatten, Kolorierung und ähnliches abgehandelt, bevor die Zeichnung des menschlichen Körpers, von Teilen des Gesichts sowie Gesichtsausdrücken sowie einzelnen Körperpartien im Mittelpunkt steht. Nach diesem Schnelldurchlauf mit den wichtigsten Basisinformationen anhand des menschlichen Körpers widmet sich Peffer nun den eigentlichen Motiven des Buches, nämlich den Fantasyfiguren. Es geht los mit den Märchenwesen, also zum Beispiel Feen, Kobolden und Zwergen, weiter über Wesen aus dem Reich der Legende wie Meerjungfrauen, Zentauren oder Engel bis hin zu Wesen, die im Dunkel der Nacht ihr Unwesen treiben. Das letzte Kapitel behandelt Die Klamottenzentrale: Hier lernt der Leser, welche Kleider zu welcher Figur passen und wie die Garderobe passend gezeichnet und in Szene gesetzt wird. Im Anschluss lassen sich bestimmte Begriffe mit dem Index rasch nachschlagen.

Der Aufbau einer Zeicheneinheit ist stets gleich: Die zu malende Figur wird kurz inhaltlich vorgestellt, dann folgt die Schritt-für-Schritt-Anleitung bis zum fertigen Bild. Neu hinzukommende Bildelemente sind rot hervorgehoben, um dem Leser die Arbeit zu erleichtern.
Das Buch richtet sich nicht speziell an Einsteiger oder Fortgeschrittene, obwohl einiges Vorwissen sehr hilfreich ist, die teilweise recht schwierigen Zeichnungen gut zu treffen. Ziel ist es dabei weniger, sich grundlegendes Wissen anzueignen, als vielmehr Bilder der Illustratorin nachzumalen. Dabei lernt man durchaus den einen oder anderen Kniff, der einem bei der Arbeit hilft, und auch ein gewisses Maß an Basiswissen wird vermittelt. Allerdings kann beim einmaligen Abmalen einer Figur kaum von ordentlicher Übung die Rede sein, denn weder verschiedene Perspektiven noch verschiedene Positionen werden angeboten. Für das richtige Erlernen von Zeichentechniken greift man daher besser zur Standardliteratur auf diesem Gebiet und wirft erst im zweiten Schritt einen Blick in dieses Buch. Fans werden allerdings viel Freude an den wunderschönen Zeichnungen und an ihrer Nachahmung haben.
Die Auswahl der Fantasyfiguren ist im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Aber gerade die ganz ungewöhnlichen Figuren wie etwa ein Kitsune oder ein Werwolf hätten noch einiger Erklärungen mehr verlangt, ist die Anatomie doch wieder eine ganz andere als bei Menschen und menschenähnlichen Wesen. Immerhin aber gibt es Sonderseiten mit der näheren Behandlung besonderer Körperteile wie etwa spitze Ohren, Flossen, Hufe oder Flügel.

Mit "Fantasy-Figuren zeichnen" kann Heel vor allem bei Fans von "NeonDragon" Jessica Peffer punkten, denn ihre Zeichnungen mit starkem Wiedererkennungswert sind erstklassig und vermitteln viel Stimmung. Allerdings hinkt der tatsächliche Wissensgehalt der schönen Aufmachung hinterher; ein paar Grundtechniken und Basisansätze lassen sich daraus ziehen, für mehr reicht es dann leider nicht. Da hat Peffer mit ihrem Werk "Drachen zeichnen", ebenfalls bei Heel erschienen, einen wesentlich besseren Zeichenratgeber zustande gebracht.