Karl der Große war ein legendärer Herrscher. Darum erschienen bereits früh Biographien über ihn - so auch 1885 von Hermann Brosien. Diese wiederum hat nun der Reprint-Verlag Leipzig neu herausgebracht.

Brosien beginnt mit einem Kapitel über Karls Vater Pippin, bevor ein kurzes über Karls Jugend folgt. Nach dem anschließenden Amtsantritt beschäftigt sich Brosien vor allem mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, mit denen Karl beschäftigt war. Diese nehmen einen großen Teil des Buches ein, da jedem Krieg ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
Später jedoch behandelt Brosien auch die anderen Aspekte des Herrschers: Sowohl das Verhältnis zu Byzanz als auch zum Papst wird besprochen. Daneben findet die Kaiserkrönung Erwähnung wie auch der Gesetzgeber Karl, die Verfassung des fränkischen Reiches und Karls Sorge für Wissenschaft und Bildung.
Das Privatleben Karls wird recht kurz besprochen: es gibt ein Kapitel über seine Persönlichkeit und ein weiteres über seine Familie.
Zuletzt stehen die Reichsteilung und Karls Tod und Begräbnis an. Im letzten Kapitel erwähnt Brosien, wie Karl in der Sage dargestellt wurde.

Ergänzt wird das Buch durch einige Holzschnitte, die zumeist den Kaiser darstellen, allerdings sind auch einige Münzen aus dessen Regierungszeit zu sehen.

Während zwar die Bildunterschriften in Frakturschrift gehalten sind, ist das eigentliche Buch komplett in lateinischer Schrift gedruckt. Eine Erklärung für diese Maßnahme findet sich nicht - die lateinische Schrift begann sich erst viel später durchzusetzen, sodass es erst einmal unwahrscheinlich erscheint, dass das Buch 1885 in lateinischer Schrift gedruckt wurde.
Dies schmälert das Lesevergnügen jedoch wenig.

Der Stil Brosiens ist altmodisch, wie man es von einem Buch des ausgehenden 19. Jahrhunderts erwarten würde. Brosien verwendet viele komplizierte Satzstellungen, sodass der Leser leicht ermüdet. Manche Sätze muss man mehrmals lesen, um ihren Sinn zu erschließen. Zudem erschwert die nichtlineare Darstellung das Verfolgen der Gesamtumstände - Brosien beschreibt die Kriege und alles weitere einzeln, ohne Rücksicht darauf, wann die betreffenden Schlachten stattfanden, sodass man immer wieder von der Mitte von Karls Regierungszeit zum Anfang derselben springt, um eine neue Facette oder Kriegshandlung zu beobachten. Auf der einen Seite ermöglicht dies dem Leser eine gewisse Freiheit, denn er kann die Lektüre am Ende eines Kapitels für unbestimmte Zeit beenden, um später weiterzulesen, da die benötigten Fakten ohnehin von Brosien wiederholt werden und die Kapitel in keinem Zusammenhang miteinanderstehen; auf der anderen Seite jedoch kann das Buch nicht richtig fesseln, denn sobald man ein Kapitel beendet, gibt es wenig, dass einen zum Weiterlesen motiviert.

Eine altmodische Biographie, die ebenso trocken wie kompliziert verfasst wurde - allein aufgrund der Holzschnitte aber dann doch eher Mittelmaß anstatt unterdurchschnittlich. Interessierte Leser sollten die Gelegenheit nutzen und das Buch vor dem Kaufen kurz durchblättern, um festzustellen, ob das Buch wirklich etwas für sie ist.