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Seit Helmut Kohls "Mädchen" Angela Merkel die Führung der CDU übernommen hat, gab es innerhalb dieser Partei massive Veränderungen, und zwar keineswegs nur personeller, sondern vor allem programmatischer Art, so dass Teile der Basis, aber auch politisch interessierte Außenstehende die Partei kaum wiedererkennen.
Die Journalistin Mariam Lau hat in ihrem Buch nicht nur diese Veränderungen zusammengefasst und die Hintergründe hierzu erläutert, sondern auch Veranstaltungen besucht, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Stimmung an der Basis zu verschaffen, und eine Reihe von Interviews mit Spitzenpolitikern, einfachen Abgeordneten und Lokalpolitikern geführt.
Das Buch besteht aus acht Kapiteln, von denen jedes ein für die CDU "typisches" politisches Thema aufgreift. Den Anfang macht die Beziehung zwischen CDU und Wirtschaft oder auch die Frage, wie viel Staat der Markt nach Ansicht der Partei verträgt, nicht zuletzt hinsichtlich der aktuellen Wirtschaftskrise. Es folgt die Familienpolitik. In diesem Kapitel werden unter anderem das sowohl in der Partei als auch in der Öffentlichkeit sehr widersprüchliche "Image" von Ursula von der Leyen und dessen Entstehung und Ursachen thematisiert, verschiedene Ansätze der Familienpolitik innerhalb der CDU betrachtet und nicht zuletzt auch verunglückte Kampagnen wie "Kinder statt Inder!" beleuchtet.
Ökologie - und damit auch mögliche Berührungspunkte mit den eher widerstrebenden Grünen - ist Thema eines weiteren, "Ach, Jamaica!" betitelten Kapitels, dem ein Abschnitt über die Außenpolitik und Merkels Rolle in internationalen politischen Bündnissen folgt. Das fünfte Kapitel mit dem Thema "Integration" zeigt die traditionellen Schwierigkeiten und Schwächen der CDU hinsichtlich dieses Themas auf, die im natürlich auch im Buch angesprochenen hessischen Landtagswahlkampf 2008 besonders deutlich hervortraten.
Um das C im Parteinamen rankt sich das darauf folgende Kapitel, denn seit Merkel gibt es auch deutliche wechselseitige Angriffe zwischen Partei und Kirchen, und so ist die Neudefinition des C ein interessanter Aspekt dieses Abschnitts. Die Konservativen in der Partei mit ihren durch den Linksruck der Partei etwas einsamen Positionen, sieht man von der Basis ab, sind Gegenstand des siebten Kapitels, und das letzte, betitelt "Kleine Reisen in die Volkspartei", greift noch einmal einzelne Personen, auch mittels Interviews, und Themen heraus.
Wahlwerbung soll dieses Buch nicht sein, schreibt die Autorin. Das ist es auch nicht unbedingt, denn zum einen werden natürlich zahlreiche Kritikpunkte aufs Tapet gebracht, und zum anderen präsentiert sich die CDU in diesem Buch ziemlich heterogen, sodass man sich als Leser hier und da schon einmal fragt: "Was wollen die eigentlich?" Es sei dahingestellt, ob diese Frage nicht auch schon vor der Lektüre bestanden haben mag. Trotzdem gelingt es der Autorin, die Entwicklung seit Beginn der Ära Merkel nachvollziehbar darzulegen und letztlich doch einen roten Faden zu präsentieren, wobei sie oft auf weiter zurückliegende Aspekte zurückgreift, etwa den Verlust der alten Feindbilder Kommunismus und "68er".
Das Buch portraitiert die "letzte Volkspartei" als das, was sie wohl letztlich auch ist: als Summe einer großen Anzahl von Personen, die zu politischen Problemen und Aufgaben zwar tendenziell ähnliche Antworten und Einstellungen parat haben, aber eben nicht immer. Viel aufgeschlossener und moderner geworden, vermag sie trotzdem nur relativ wenige junge Leute anzusprechen - den Gründen hierfür geht die Autorin ebenfalls nach. Interessant sind zudem die anhand von Insiderwissen anschaulich dargestellten Hintergründe zu Personalentscheidungen, aber auch zu politischen Maßnahmen und Stellungnahmen, die den Zeitungsleser zu gegebener Zeit etwas verblüfft haben dürften.
Der Stil ist angenehm, das Buch soll nebst Informationsvermittlung auch etwas Unterhaltung bieten. Die Inhalte wirken sorgfältig recherchiert, auch wenn sich an einer Stelle (Seite 171) ein Zahlenverhältnis nicht so ganz nachvollziehen lässt. Ein bisschen mehr Biss sowohl bei der Kritik als auch bei der Hervorhebung der zweifellos vorhandenen Verdienste hätte dem Buch vielleicht gut getan. Insgesamt überzeugt es jedoch, gibt es doch einen recht tiefen Einblick in eine Partei, die sich in den letzten Jahren überraschend weit von ihren Ursprüngen entfernt hat.