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Regelmäßig wird der Büchermarkt mit neuen und zum Teil recht esoterischen Strategien überschwemmt, die sich um öffentliche Karriere und persönliches Glück drehen. Wenn sich diese Fluten zurückziehen, scheint die
Begriffslandschaft noch etwas wüster und leerer als zuvor. Katja Rost, die Autorin, spricht von einem Dschungel, den sie entwirren möchte. Dass sie dabei gleich die ganze soziale Kompetenz ins Auge fasst, ist heroisch. Sie würde ein geduldiges Messer brauchen.
Wie geht Frau Rost vor? Zunächst kommt die für eine Doktorarbeit übliche Zielsetzung und Gliederung der Arbeit. Das zweite Kapitel greift in die
Geschichte zurück. Sozialkompetenzen wandeln sich mit der Gesellschaft. Die Autorin setzt hier allerdings bei dem Taylorismus an, fokussiert also das 20. Jahrhundert und die Wirtschaft und geht dann in Riesenschritten zu den Wandlungen der spätkapitalistischen Industriegesellschaft und zu der so genannten postmodernen oder
Informationsgesellschaft über. Diese Informationsgesellschaft sei zum Beispiel durch Abbau von Hierarchien und hohe Vernetzung gekennzeichnet. Kundenorientierung und lebenslanges Lernen sei notwendig geworden.
Im dritten Kapitel wird die
Entwicklung individuellen Verhaltens beleuchtet. Da sich Sozialkompetenz in einem komplexen und dynamischen Seelenhaushalt entwickelt, ist dieser Schritt bei der Klärung von Sozialkompetenz einer der notwendigsten. Die Autorin geht zum einen auf die Neurophysiologie, zum anderen auf personenorientierte Persönlichkeitstheorien ein. Grundlegend sollen hier Antriebsstrukturen beleuchtet werden, die zu sozialer Kompetenz führen oder eben auch nicht.
Sozialkompetenz ist eine
Teilkompetenz. Um hier Grenzen zu markieren und Übergänge zu verdeutlichen, ist eine Einordnung in ein übergeordnetes Modell von Kompetenzen wichtig. Dies legt Rost im vierten Kapitel dar. Zunächst klärt sie den Begriff der Kompetenz und diskutiert diesen dann an verschiedenen Ansätzen. Als zentraler Bezugspunkt wird dann die
Handlungskompetenz herausgegriffen, da die Vermittlung und Darstellung jeder Kompetenz über die Handlungsfähigkeit läuft. Als ein besonderer Aspekt wirkt hier die
emotionale Intelligenz mit, da diese nicht nur in der Reflexion auf das eigene Handeln hinausläuft, sondern die handlungsleitenden Mikromotivationen abfängt, bevor diese zum Handeln führen. Durch eine hohe emotionale Intelligenz wird Handeln also wählbarer, oder - in der Alltagssprache gesagt - man platzt nicht einfach mit irgendetwas heraus.
Die wissenschaftliche Operation der Einordnung ins Fachgebiet wird durch die Differenzierung des untersuchten Feldes ergänzt. Die soziale Kompetenz gliedert sich demnach selbst wieder in einzelne Aspekte, in kleinere und konkretere Kompetenzen. Die Autorin führt hier ein Modell ein, das sich auf Elemente sozialen Verhaltens stützt. Diese Elemente sind aus äußerlichen Merkmalen einer Person (die "Erscheinung"), nonverbalem und verbalem Verhalten zusammengesetzt. Dementsprechend führen diese Elemente auch zu verschiedenen Möglichkeiten, soziale Kompetenz auszudrücken und zu verwirklichen.
Die
basalen Kompetenzen, die zur Sozialkompetenz führen, werden dann im Weiteren erläutert. Die Autorin stellt hier Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und die Teamfähigkeit vor.
Das sechste Kapitel erörtert - ziemlich ausführlich - Methoden zur Bewertung sozialer Kompetenz. Im siebten Kapitel werden (die üblichen) Möglichkeiten der Förderung sozialer Kompetenz aufgelistet und eine kurze Einführung mitgeliefert. Das letzte Kapitel liefert ein Fazit. Im Anhang findet sich die empirische Untersuchung, die die Autorin durchgeführt hat, und natürlich die Auswertung dazu.
Im Allgemeinen geben sich Bücher, die sich auf dem schwammigen Markt des Coachings und Trainings herumtreiben, heroisch. Der unsichere Status sozialer Kompetenzen wird gerne mit ebenso unsicheren Begriffen beantwortet. Und hier kann Katja Rost eindeutig punkten. Viele Begriffe werden recht scharf definiert. Diese
Begriffsschärfe ist schon alleine deshalb notwendig, damit zwischen der Idee und der Beobachtung ein vermittelnder Bezug hergestellt wird. Vielen Büchern fehlt das. Diesem nicht.
Weitaus kritischer allerdings ist der Gang der Diskussion zu beurteilen. Ein erster grober Schnitzer dieser Arbeit ist ihre
Weitläufigkeit. Soziale Kompetenz ist ein so umfangreiches Feld, dass diese kaum in einer Doktorarbeit zu zerpflücken möglich sein wird. Und das gelingt der Autorin dann auch nur ansatzweise. Der Übergang von der Produktionsgesellschaft zur Informationsgesellschaft zum Beispiel wird geradezu mythisch vereinfacht. Schon bei Marx findet man hier zahlreiches Material zum gesellschaftlichen Wandel, die ganze frühe Frankfurter Schule, der Strukturfunktionalismus um Parsons und Merton, schließlich die Debatte um die Postmoderne und einzelne herausragende Gestalten wie Lyotard, Luhmann oder Foucault: All dies - oder mindestens eines davon - fehlt. Mithin kann die Autorin gar
nicht soziologisch verankern, was sozial sinnvoll wäre. Der kritische Ton, den sie denn einige Male anschlägt, ist eigentlich nur Pseudo-Kritik.
Ebenso bleibt die Persönlichkeitstheorie zu sehr einem
vulgären Materialismus verhaftet. Konstruktive, systemische und systemtheoretische Ansätze, geschweige denn die wilderen postmodernen Theorien spielen hier keinerlei Rolle.
Die Autorin schreibt zwar klar. Sie kann Begriffe bilden, sie kann argumentieren. Und die Arbeit tritt - leider, muss man sagen - aus einer Masse von Büchern alleine deshalb hervor, weil sie das kann. Unter Blinden ist eben der Einäugige König. Neu ist dieses Buch aber auch nur in der begrifflichen Klarheit. Einen wirklich
eigenständigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Wissenschaft - was summa summarum Aufgabe einer Doktorarbeit und Bedingung für die Verleihung des Doktortitels ist - liefert dieses Buch nicht.
Dem Buch selbst ist anzulasten, dass zwei Grafiken nicht sauber gedruckt worden sind. Ansonsten ist das Schriftbild aber angenehm und auch die restlichen Abbildungen sind gestochen deutlich. Im Rezensionsexemplar fehlte eine Seite, die auf Nachfrage durch den Verlag nachgeliefert wurde.
Fazit: Man muss dieser Arbeit bescheinigen, dass sie in einem völlig diffusen Feld tatsächlich für Ordnung sorgt und deshalb weitaus besser als vieles ist, was Mitbewerber liefern. Ein Grund zum Jubeln ist das allerdings noch lange nicht. Auch hier ruht die Klarheit auf mythischen Verkürzungen auf, die für eine wissenschaftliche Orientierung nicht statthaft sind.
Mithin ist dieses Buch nur so lange zu empfehlen, solange es niemand besser macht. Und das sollte eigentlich kein Problem sein.