Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Im Gespräch Bernhard Pörksens mit dem als Konstruktivist bekannten Heinz von Foerster werden Überlegungen angestellt, die sich vor allem mit der Erkenntnistheorie beschäftigen und ausführen, welche Auswirkungen oder Ansätze sie im Leben haben beziehungsweise geben können.
Entgegen der Meinung, dass die Wahrnehmung eine Abbildung der Wirklichkeit ist, beschreibt von Foerster den Vorgang der Wahrnehmung eher als Erkennen und Konstruieren. Basierend auf Johannes Müllers Prinzip der speziellen Nervenenergie kann gesagt werden, dass die Wahrnehmung durch Sinne lediglich durch Licht, Schall und Druck weitergeleitet wird und es schließlich erst im Nervensystem zur Errechnung eines Zusammenhangs kommt. Dies bedeutet, dass Realitätsvorstellungen ständig neu errechnet werden. Alles wird somit im Inneren erzeugt oder erdacht. Wir sind also die Erfinder unserer Umwelt.
Das Funktionieren dieser erdachten Welt, die wir wahrnehmen, ist somit keine Wahrheitsfindung, sondern nur das Ergebnis eines Erklärungsversuchs des Wahrnehmenden. Stellen wir sie als wahr hin, so bezichtigen wir andere automatisch der Lüge. Im Vordergrund sollte jedoch die Funktion stehen, sodass wir miteinander statt gegeneinander reden können. Der ethische Imperativ hat somit die Erweiterung der Möglichkeiten für den einzelnen und die Gemeinschaft zum Ziel.
Heinz von Foerster war schon immer Vertreter dieses so genannten Konstruktivismus, distanziert sich jedoch von derartigem Denken in Kategorien, um skeptische Haltungen gegenüber dieser Denkweise nicht zum Hindernis des Dialoges zu machen. Er nennt die offene Diskussion selbst den "Tanz des Dialoges", der des Tanzes wegen geführt wird und keinem festen Ziel entgegenstrebt. Auf derartigen Überlegungen basierend präsentiert von Foerster seine Ideen. Der Mensch, diese "nicht-triviale Maschine", wird immer wieder von der Gesellschaft zu "trivialisieren" versucht. Man versucht das Gegenüber durchschaubar und genormt zu machen, wodurch jedoch die Vielseitigkeit und Kreativität eines jeden stark eingeschränkt werden. Heinz von Foerster sieht dies in vielen Gebieten als einschlägig. So stellt er die Frage, ob bei einem Gesetzesverstoß der Verstoß oder das falsche Gesetz bestraft werden sollte. Auch für die Pädagogik können diese Überlegungen wichtig werden, betrachtet man die Schulen mit ihrem Lehrsystem als "Einrichtung zur Trivialisierung der Kinder". Dieses Prinzip ließe sich auch auf die Psychotherapie projizieren, sodass der Therapeut nicht weiter versucht den Patienten zu heilen, sondern ihm eine neue Realität seiner Umwelt zeigt. Auch im Management sieht von Foerster Anwendungsmöglichkeiten und empfiehlt, dass die innerbetriebliche Hierarchie durch eine selbst organisierende Heterarchie abgelöst wird.
Das Taschenbuch mit seinen 168 Seiten gibt das Gespräch zwischen Autor Bernhard Pörksen und dem Physiker und Philosophen Heinz von Foerster wieder. Hierbei wird der Leser unweigerlich an die Dialoge Platons mit Sokrates erinnert, wobei hier eher Pörksen mit seinem Hintergrundwissen angenehm überrascht, als dass die Theorien Heinz von Foersters sachgerecht dargelegt würden. Leider hat dies zur Folge, dass der Leser gewisse Grundkenntnisse der Philosophie mitbringen muss, um dem Gespräch folgen zu können. Fast ist man geneigt das Buch als Fachliteratur zu bezeichnen, würden ihm nicht elementare Eigenschaften einer solchen fehlen. Trotz unzähliger Verweise auf Wissenschaftler und Philosophen, sowie auf ihre Werke fehlen Fußnoten, Anmerkungen und eine Bibliographie. Beinahe notwendig werden außerdem Grundkenntnisse in Englisch und Latein, sodass dem Anliegen von Foersters, Möglichkeiten zu mehren und den "Tanz des Dialogs" anzustreben, aus Sicht des Lesers nicht mehr nachgekommen wird.
Doch auch von Foerster selbst kann in diesem Werk nicht überzeugen. Zwar scheinen seine Thesen wie die Unmöglichkeit der Objektivität, die Wandlung des "human being" zum "human becoming" und das Selbstanwendungsproblem "Wir sind blind gegenüber unser eigenen Blindheit" einer soliden Philosophie zu entspringen, werden jedoch recht oberflächlich behandelt. Es wird eher über die Thesen gesprochen, als dass sie dem Leser dargelegt und nachvollziehbar gemacht werden, was auch die kleinen Skizzen nicht ändern. Er wird stattdessen gezwungen, genannte Ideen anderen schon bekannten Theorien zuzuordnen, was dem Kategoriendenken entspricht, welches von Foerster selbst ablehnt. So verfällt man schnell in das Denken Heraklids über den ständigen Wandel oder der Wahrnehmungstheorie Kants, dass sich die Welt nach der Wahrnehmung richtet und nicht umgekehrt. Der Einstieg in das Gespräch erinnert hingegen sehr an Descartes? Zweifel an alles Sein, wobei von Foerster hier weniger konsequent ist und seine Theorie, dass nichts wahr ist, sondern nur auf eben diese Weise errechnet wurde, damit beginnt, das Nervensystem und die Empfindung von Druck, Licht und Schall als wahr anzusehen. Akut wird dies im Absatz über "die Kybernetik der Kybernetik". Schopenhauer würde hier von Foerster wohl einige Hilfestellungen geben können, wenn auch erst, nachdem erklärt wurde, was die Theorie mit der "Steuermannskunst" oder "Leitung eines Kirchenamtes" (griechisch: Kybernetik) zu tun hat. Auch der Spagat zwischen Solipsismus und Realitätsbezug wirkt inkonsequent, da die Außenwelt solipsistisch als nur errechnet dargestellt wird, von Foerster jedoch aufgrund einer Hinnahme dieses Umstandes den Solipsismus ablehnt.
Dem Leser werden, wie schon in der Einführung durch Heinz von Foerster über den Titel, metaphysische Dinge mathematisch erklärt und schon der erste Satz ist objektiv gelogen, beachtet man die Möglichkeit unwissentlich falscher Aussagen. Begründungen wie die der "Prozessologie" von Foersters fehlen und der Leser muss sich mit einem "meiner Meinung nach" begnügen. Ähnlich sieht es mit dem Relativitätsprinzip aus, welches innerhalb des Gespräches nicht näher dargelegt wird und vom Leser so hingenommen werden muss.
Wie man sieht, kann dieses Buch aufgrund fehlender Wissenschaft wie auch unverständliche Darlegung weder als Fachliteratur noch als belletristisches Themenwerk angesehen werden, was den Leserkreis, die Skeptiker, wie es im Untertitel heißt, sehr klein macht. Lückenhafte Thesen lassen den fachkundigen Leser unbefriedigt, während der unbedarfte Leser auch mit Sprachkenntnissen schon nach kurzer Zeit Verständnisprobleme haben dürfte. Die hingegen leicht verständlichen "Biographischen Exkurse" sind nur ein geringer Trost, beachtet man, wie viele gute Anregungen unter der Darstellungsweise der Thesen und Ideen gelitten haben.