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Achtung: In "Pauline", dem zweiten Teil der Fantasy-Reihe "Der große Tote" der Autoren Régis Loisel und Jean-Blaise Djian und des Illustrators Vincent Mallié, werden die Ereignisse des ersten Bandes, der mit einem spannenden Cliffhanger abrupt endete, fortgeführt. Notwendigerweise verrät die folgende Inhaltsangabe, wie es mit Erwan und Pauline weiter ging und geht. Wer sich die Spannung nicht verderben will und "Die Tränen der Bienen" noch nicht gelesen hat, sollte den folgenden Abschnitt auslassen.
Erwan und Pauline sind am Ziel ihrer Reise. Sie haben das gewaltige, riesenhafte Skelett eines Menschen gefunden. Oder besser gesagt, da Pauline und Erwan durch das Elixier von Meister Christo in das "Land der kleinen Leute" gelangt sind, die sterblichen Überreste eines Menschen, der in seiner normalen Größe den Weg zu den Völkern des verborgenen Reiches gefunden hat.
Erwan erfährt, dass er mit den vier Stämmen eine heilige Zeremonie im Schädel des "Großen Toten" abhalten muss, um den Frieden in der Anderswelt und in der Welt der Menschen zu erhalten. Pauline aber darf nicht mit, sie muss in sicherer Entfernung zu dem Skelett warten.
Doch eines der fremdartigen Wesen, die die Zeremonie durchführen sollen, spielt falsch und tötet die anderen Vertreter der Stämme durch ein Gift. Es vereinigt sich mit dem nach der Zeremonie nahezu betäubten Erwan. Als der begreift, was geschehen ist, flieht er entsetzt.
Zurück in seiner Welt muss er feststellen, dass alles im Chaos versinkt. Und Pauline verschwunden ist. Von dunklen Vorahnungen erfüllt, versucht er, Pauline zu finden.
Der zweite Band des wunderschön gezeichneten Fantasy-Abenteuers beginnt mit einem Paukenschlag. Das von Vincent Mallié grandios in Szene gesetzte, riesige Skelett wird für zehn Seiten zum perfekten Mittelpunkt eines Geschehens, das spannender und sinnlicher nicht sein könnte. Die Bilder sind nicht von dieser Welt, glänzen in traumhaften Farben, faszinieren mit einer Wendung, die unvorhersehbar ist.
Dann aber erfolgt ein abrupter Bruch. Erwan findet sich im Frankreich der Moderne wieder und macht sich auf die Suche nach der verschwundenen Pauline. Von nun an beherrschen Straßenszenen die Geschichte. Dunkle Gassen, heruntergekommene Wohnblocks, triste Wohnungen und desillusionierte Gestalten. Die Geschichte wird zu einem seltsamen Suchspiel. Wo ist Pauline, wie ist es ihr ergangen, was ist im Land der kleinen Leute bloß passiert?
Der Leser verzweifelt ob der Suche, fragt sich immer wieder, mühsam die Hinweise zusammenklaubend, was passiert ist und warum. Erwan, völlig blind gegenüber diesen Hinweisen, torkelt von einer Wohnung zur nächsten, sucht in dem in ganz Frankreich, ja der ganzen Welt ausgebrochenen Chaos nach Pauline.
Keine Fantasy mehr, keine wundervollen Bilder fremder Welten, nur Straßenfluchten und irritierte Menschen. Zwar sind auch diese Szenen gut gezeichnet und klug ersonnen, doch die Geschichte kann nicht mehr packen und enttäuscht nachhaltig ob ihres offenen Endes und der sinnlos erscheinenden Ereignisse.
Warum verlassen Loisel und Djian ihre so perfekt dargestellte fremde Welt, warum lassen sie einzig Erwan zu Wort kommen, warum folgen die Bilder nur noch ihm? Was ist so interessant an dieser Suche durch Paris, was soll der Leser damit anfangen?
Einzig die im Text zu findenden Hinweise auf das Schicksal Paulines machen neugierig, doch korrespondiert dies nicht mit den Bildern. Hier wird eine Geschichte imaginiert, die nicht illustriert wird und die völlig im Dunkeln bleibt.
Was treibt Erwan an, der Pauline nicht mal mag? Was treibt Pauline an, die nicht mehr ins Bild gerückt wird? Was geschieht in der Welt der kleinen Leute?
Kein Zweifel, nach dem großartigen Auftakt im ersten Band und dem unglaublich schönen und packenden Anfang des zweiten Albums enttäuscht der zweite Band zum Ende hin sehr.
Dennoch, dieses Abenteuer wird wohl jeder, der den ersten Band gelesen und den Anfang des zweiten gesehen hat, weiter verfolgen wollen. Und auch wenn die Geschichte in "Pauline" nicht überzeugt, die Bilder sind exquisit, das Szenario packend und Erwan und Pauline ein echtes Traumpaar - eben weil sie gar kein Paar sind und so facettenreich wie verschieden doch vielleicht zueinander finden. Das wird niemand verpassen wollen, selbst die nicht, die den zweiten Band gelegentlich verfluchen ob seiner langatmigen Erzählweise.