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In „Freispruch für den Hund der Baskervilles“ argumentiert Pierre Bayard, dass auch der größte Meisterdetektiv der Literaturgeschichte irren kann, und baut die „Kriminalkritik“ auf. Und er zeigt, wer jetzt wen in „Der Hund der Baskervilles“ umgebracht hat - und das hat mit dem Hund wenig zu tun.
Das Buch besteht aus vier Teilen, in denen Bayard zum einen die Fehler Holmes‘ aufzeigt und zum anderen seine eigene Lösung des Falles vorbereitet.
In „Ermittlung“ geht Bayard systematisch durch „Der Hund der Baskervilles“ und erklärt dem Leser die Handlung. Zudem beschäftigt er sich mit der holmesschen Untersuchungsmethode, die grundlegend für das Kriminalgenre geworden ist: Indizien suchen, Vergleiche durchführen und Schlüsse ziehen. In diesem Rahmen kommt Bayard auch auf die Unvollständigkeit von Holmes‘ Methode zu sprechen, denn was nicht in sein Erklärungsmuster passt, wird ignoriert.
Die „Gegenermittlung“ besteht darin, den Leser in die Kriminalkritik einzuweihen - denn nicht jedem Zeugen oder Erzähler darf vertraut werden. Hier entkräftigt Bayard dann auch die Vorwürfe gegen den Hund und den vermeintlichen Mörder Stapleton.
„Fantastisches“ entfernt sich dann etwas vom Text und wird allgemeiner. Denn hier stellt Bayard die Frage, inwiefern literarische Figuren die reale Welt beeinflussen - man denke nur an die Reaktionen, die Holmes‘ Tod im Jahre 1893 hinterließ, und an den Druck, dem Conan Doyle ausgesetzt war, bis er letztendlich Holmes wieder zum Leben erweckte.
Zum Ende diesen Teils kommt Bayard auf den Holmes-Komplex Conan Doyles zu sprechen - denn obwohl der Detektiv wohl die bekannteste Schöpfung des Autors ist, war dieser nicht gut auf ihn zu sprechen, fand sein übriges Œuvre doch weniger Anklang beim Publikum. Aus diesem Komplex wurde dann auch die Notwendigkeit geboren, die eigene Schöpfung umzubringen. Damit befasst sich der letzte Teil, „Wirklichkeit“.
Bayard argumentiert, dass die vielen Fehler, die Holmes in „Der Hund der Baskervilles“ unterlaufen, dem Umstand Rechnung tragen, dass Doyles Versuch, Holmes umzubringen, aufgrund der heftigen Gegenreaktionen der Leser und Fans dieser Figur gescheitert war. Der Autor will sozusagen seinen Helden durch die Literatur umbringen, indem er dessen Fähigkeiten und Intelligenz in Frage stellt.
Erst nach all diesem beschäftigt sich Bayard mit der Frage, welcher Mord denn jetzt wirklich im Buch geschah und wer der (bisher ungefasste) Mörder ist.
Bayards Schreibstil ist flüssig und leicht zu verstehen. Auch seine eher theoretischen Abhandlungen vom Eigenleben literarischer Figuren sind angenehm geschrieben und auch ohne Literaturstudium zu verstehen.
Er deckt methodisch alle Fehler von Holmes auf, um sie gleich darauf zu verbessern, was ihm eine gewisse Glaubwürdigkeit verschafft, denn seine Ausführungen bleiben immer neutral, auch wenn sie selten zugunsten von Holmes ausfallen.
Am meisten beeindruckt seine Art der Kritik, die er im Anklang an das Genre Kriminalkritik nennt: So wird der Leser dazu gebracht, die Lösung von Mordfällen selbst zu suchen, anstatt sich auf die glaubwürdigen Erzähler wie Watson oder Holmes zu verlassen.
Ob man den Ausführungen nun glauben schenkt, sich davon überzeugen lässt, wer unschuldig und wer schuldig ist, tut hier wenig zur Sache. Interessant ist die Art, wie Bayard sein Buch aufzieht, denn nie wird es langweilig, auch nicht, wenn er tief in den Text geht oder weiter ausholt, um seine Schlüsse zu rechtfertigen. So sollten Bücher sein.