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Die Napoleonische Ära als deftiges Strategiespiel - wer könnte da nein sagen? Die französische Spieleschmiede Ageod ("Great Invasions", "World War One", "Birth of America") präsentiert mit "Napoleon's Campaigns" die Feldzüge des Kaisers der Franzosen, der den Segen der Französischen Revolution (in seiner bonapartistischen Variation, versteht sich) ganz Europa zuteilkommen lassen wollte - und sich dabei mit nahezu allen anderen europäischen Mächten überwarf. Vom Krieg in Spanien über den Zug nach Russland bis nach Waterloo können versierte Strategen nun sämtliche Feldzüge Napoleons nachspielen. Vielleicht sind sie siegreich, wo der echte Napoleon scheiterte ... oder sie können dem Franzosen in Gestalt der Preussen, Russen oder Engländer Paroli bieten.
"Napoleon's Campaign" wirkt grafisch eher zweckmässig: Auf einer scrollbaren 2D-Karte Europas, die in viele kleine Provinzen unterteilt ist, stehen Spielfiguren mit den Antlitzern der jeweiligen Heeresführer herum. Sie symbolisieren die zahllosen Einheiten, von der Kavallerie über schwere Artillerie bis zu den allgegenwärtigen Nachschubkarren. Städte hingegen werden durch sternförmige Barracken symbolisiert. Sie gilt es - je nach Mission - einzunehmen. Um eine Armee zu bewegen, schiebt man die "Spielfigur" via Drag-and-Drop zum jeweiligen Ziel. Treffen zwei Armeen aufeinander, wird eine Schlacht ausgefochten, auf die man allerdings keinen direkten Einfluss hat - man muss sich schon im Vorfeld mit der jeweiligen Taktik arrangiert haben. Hat man die Missionsziele erfüllt, also die entsprechenden Städte eingenommen, endet der Feldzug mit einem Sieg.
Klingt simpel? Eigentlich ist es das auch. Allerdings ist "Napoleon's Campaigns" weit mehr als ein simples Armeenverschiebbrettspiel für den PC. Denn tatsächlich simuliert das Spiel nahezu alle Facetten der damaligen Heeresführung. Terrain und Wetter haben ebenso einen Einfluss auf den Feldzug wie die kluge Ausnutzung des Straßen- und Flussnetzes. Nachschubkarren und -depots müssen frühzeitig mitgedacht werden, wenn die eigene Armee nicht schmählich im Feindesland verhungern soll ... oder meutern! Nicht jeder Truppentyp eignet sich für jede Aktion (erst in Kombination entfalten sie ihre Stärken), und jede Einheit und jeder General kann eine oder mehrere von insgesamt 70 (!) Spezialfähigkeiten besitzen, die ihn für bestimmte Aktionen prädestinieren. Das reicht von schnellerem Truppenvormarsch über Belagerungsboni bis hin zum "leicht reizbaren General", der sich gern mit seinen Offizieren anlegt. Napoleonische Truppen können zudem spezielle Gardefähigkeiten einsetzen, die die besondere Begeisterung der französischen Truppen für ihren "Empereur" symbolisieren.
All diese Werte sind entscheidend für die jeweilige Taktik. Und da das Spiel in guter alter Rundenmanier abläuft, kann man schon eine Weile über den nächsten Spielzug grübeln. Soll man tatsächlich den Durchmarsch auf Magdeburg durch ein leicht sumpfiges Waldgebiet riskieren, um den Feind zu überraschen, oder doch erst lieber in Plauen ein Depot anlegen? Will man wirklich das schwache russische Korps an der Weichsel attackieren, obwohl dort ein schwerer Sturm tobt? Soll man tatsächlich seinen übervorsichtigen General mit der Verfolgung der polnischen Füsiliere beauftragen, oder doch lieber den hitzköpfigen Bruder Napoleons damit beaufragen?
Schwere Entscheidungen. Versüßt werden sie durch die schöne passende Marschmusik und die saubere Grafik, die dank unzähliger Tooltips für Übersichtlichkeit sorgt. Auch die Ingame-Tutorials helfen bei der ersten Orientierung und beweisen, dass auch diess komplexe Spiel schnell zu erklären ist. Leicht erlernbar, schwer zu meistern - so lautet die Devise.
Nicht so schön ist allerdings das völlig unbrauchbare Handbuch, das von Fehlern und Übersetzungspatzern nur so strotzt und scheinbar von einem Computerprogramm ins Deutsche übertragen wurde. Zum Glück sind die Ingame-Texte besser (zumindest nach dem Patch, der sich auf der Ageod-Seite schnell finden lässt). Dennoch: Ein solch komplexes Spiel mit einem so erbärmlichen Handbuch auszuliefern, grenzt an Frechheit.
Abgesehen von diesem Manko ist "Napoleon's Campaigns" eine echte Strategieperle für jene Spieler, die auf 3D-Klicki-Bunti verzichten können, ein Interesse für die Ära mitbringen und die Herausforderung suchen. Sie werden sich mit diesem Spiel manche Nacht um die Ohren schlagen - und beweisen, dass Napoleon in Moskau sehr wohl hätte erfolgreich sein können, wenn er mal nur zwei Monate früher einmarschiert wäre.