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Rebecca Kahn, 22, soll deportiert werden. Man schreibt das Jahr 1942, Ende Januar, kurz bevor die systematische Massentötung an Juden in Auschwitz beginnt. Rebecca flieht und kann durch Zufall den Häschern entkommen.
Fünf Monate später verüben drei Tschechen einen Mordanschlag auf Reinhard Heydrich. Heydrich wird schwer verletzt und stirbt acht Tage später. Heydrich war seit 1939 Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. Es ging das Gerücht um, dass er über alle großen Männer in der NSDAP belastendes Material in seinem Tresor aufbewahrte. In einer Eingangsszene thematisiert dieser Krimi, was mit dem Material geschehen würde, sollte Heydrich überraschend sterben.
Anfang Juni wird ein Toter auf einer Berliner Parkbank entdeckt. Hauptkommissar von Sydow ermittelt und entdeckt, dass der Tote Alfred von Möllendorf ist, ein SS-Sturmbannführer. Zunächst sieht es aus, als sei die Todesursache Selbstmord, doch Sydows Instinkt lässt ihn tiefer nachforschen. Als der Kommissar auf die Todesursache Mord umschwenkt, tritt er eine politische Lawine los. Denn in dem intriganten Spiel um die vermeintlichen Papiere aus Heydrichs Tresor sind nicht nur Nazi-Größen, sondern auch der englische und der sowjetische Geheimdienst, die tschechische Exilregierung und tschechische Widerstandskämpfer verwickelt.
Auch Rebecca Kahn kreuzt den Weg des Hauptkommissars und spielt – zunächst eher zufällig – eine wichtige Rolle in den Ermittlungen.
Uwe Klausner hat sich viel vorgenommen. Zahlreiche Erzählstränge verknüpfen sich zu einem hochbrisanten Netz um einen wohl historischen Mythos: die Akten aus Heydrichs Tresor.
Und eines muss man Klausner lassen. Nie reißt der Erzählfaden so ab, dass der Leser verwirrt vor den zahlreichen Perspektivwechseln steht. Perspektivwechsel gut zu gestalten gehört zu der hohen Kunst des Erzählens, und dass der Autor diese mit leichter Hand meistert, zu den großen Pluspunkten dieses Krimis.
Das Thema an sich ist spannend und die Komposition eines großen Thrillers würdig.
Umso ärgerlicher dagegen ist die Erzählweise im Kleinen. Hier ballt sich so ziemlich alles zusammen, was schlechtes Erzählen ausmacht. Hemmungsloses Moralisieren zum Beispiel, das so gar nicht nötig ist, da man wohl von jedem lesenden Mensch eine gute moralische Distanz zum verbrecherischen Hitler-Regime erwarten darf. Und Herr Klausner selbst muss wohl nicht beweisen, dass er politisch integer ist. Die Figuren wirken hölzern, und manche Frauenfiguren, wie zum Beispiel die Witwe des ermordeten von Möllendorf, streckenweise peinlichst aufgesetzt. Auch den Dialogen kann man keinen Funken Eleganz zusprechen.
Das ist extrem schade. Klausner hat geschichtliches Hintergrundwissen zu einer sehr ausgefeilten, großen Erzählstruktur umgearbeitet und das täglich Brot des Autors, sich am Leser orientierend von Satz zu Satz zu hangeln, vollständig vergessen. Wäre dieser Krimi in der Sprache Chandlers oder Simenons geschrieben worden, hätte es einer der besten historischen Krimis des letzten Jahrzehnts sein können.
Fazit: Uwe Klausner setzt eine grandiose Krimi-Komposition sprachlich fast komplett in den Sand. An diesem Buch darf man lernen, wie man einen Plot hervorragend strukturiert, aber nicht, wie man diesen dann schreibt. Der Roman ist nur bedingt lesbar.