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Nun ist es soweit. Passend zur Jahreszeit ziehen die „Mordlandschaften“ an die See. Mit „Endstation Ostsee“ hat H. P. Karr den dritten Teil einer Reihe von Kriminalanthologien im KBV Verlag herausgebracht, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Leser mit regionalen Kriminalgeschichten zu unterhalten.
Ostsee, urwüchsige Strände, das Rauschen der Wellen und ein postkartenblauer Himmel. Der Traum eines jeden Deutschen. Hier kann er in Ruhe Geist und Körper reinigen, Energie schöpfen und die Batterie wieder aufladen. Und genau das wollte der Gast von Zimmer 316 eines Gesundheitshotels in Ribnitz-Damgarten, als er guter Dinge in die Bernsteinstadt aufbrach. Zu dumm nur, wenn zu Hause eine Ehefrau wartet, die ihm nach der Rückkehr das Leben zur Hölle machen wird. Da greift man doch schnell einmal vor der Abreise in besagtes Paradies zu einer Spritze mit Nikotin, um ihre Leberkapseln aufzupeppen. Schade eigentlich, wenn gerade diese, nach dem Aufbruch des Ehemannes in das besagte Gesundheitshotel, ebenfalls bewußter leben will und das Rauchen aufgibt. Wer glaubt da noch an das Ableben selbiger mittels Nikotinvergiftung?
Ja, die Geschäfte an der See laufen nicht immer so, wie sie sollen. Zu viele einheimische Gastwirte stürzen sich während der Saison auf die ankommenden Touristen. Da ist ein zweites Standbein genau das Richtige, um seine Schäfchen im Trockenen zu halten. Reichlich ungeschickt allerdings, wenn die angelieferte Pizza Calzone nicht nur illegal, sondern auch noch so stark ist, dass es Tote gibt. Da bleibt einem guten italienischen Gastwirt keine andere Wahl, als auf dem Kopf des verdeckten Ermittlers der Polizei den Bootshaken zu ankern.
Oder man bedenke diese Sache in Kühlungsborn mit dem Museumsdirektor, der von einen auf den anderen Tag spurlos verschwindet. Klar, denkt sich der informierte Kühlungsborner, kein Wunder bei den verschwundenen Sponsorengeldern aus dem Tresor des Museums. Doch warum bemerkt niemand, dass es seit dieser Zeit im Frühmenschenraum einen neu präparierten Homo neanderthalensis an der eigens frisch hergerichteten Feuerstätte gibt?
Neunzehn mörderische Geschichten beherbergt diese Anthologie. Neunzehn Geschichten entlang der Ostseeküste von Wismar bis hinauf zur Insel Rügen und eine heimtückischer als die andere. Der Möglichkeiten gibt es viele, um unbeliebte Zeitgenossen in Jenseits zu befördern und auch die sonst so unscheinbar anmutenden Küstenbewohner samt ihrer urlaubsreifen Gäste machen vor dieser Form der Lebenskrisenbewältigung nicht halt. So findet der Leser in „Endstation Ostsee“ entlang der schönsten Strände im Norden unseres Landes nicht nur friedliche Menschen vor. Bei genauerem Betrachten taucht hinter den kilometerlangen Sanddünen, vor den historischen Sehenswürdigkeiten oder in den idyllischen Cafés der eine oder andere Seebewohner auf, der es nicht so gut mit seinen Mitmenschen meint.
Und so wandert der Leser von Ort zu Ort und ist erstaunt über die Kaltblütigkeit, den Einfallsreichtum und die äußerst morbiden Phantasie nicht nur der Bewohner dieser Gegend, sondern auch der in diesem Buch zu Wort kommenden Autoren. Dabei fällt das Ergebnis ihrer mörderischen Recherchen recht unterschiedlich aus. Und so ist es manch einem der Autoren in diesem Buch besser gelungen, seinen von Lokalkolorit nur so triefenden Kurzkrimi zu Papier zu bringen, als dem veröffentlichten Kollegen neben ihm. Während einige der Geschichten recht spannend und kurzweilig daherkommen, überzeugen andere lediglich durch ungewöhnlichen Ideen und eine angenehme Art zu schreiben. Eine abwechslungsreiche Mischung von Geschichten also, die nicht nur qualitativ variieren, sondern auch mit einer guten Auswahl unterschiedlichster Charaktere aufwarten und es damit schaffen, den einen oder anderen Mangel liebenswert zu kaschieren. Da sieht der Leser schnell einmal darüber hinweg, wenn der Romeo in Boltenhagen ein wenig unglaubwürdig von seiner enttäuschten Liebe mittels Rettungsschwimmergriff aufs Meer gezogen wird, wenn dem gegenüber seine Katia sehr lebensnah und mit einem solch überzeugenden Motiv gezeichnet wird, dass der Leser nach getanem Werk zufrieden mit ihr zurück nach Berlin düst.
Insgesamt also eine Kombination von regionalen Kriminalgeschichten, die nicht nur in ihrem Ideenreichtum, sondern auch in der Ausführung unterschiedlicher nicht sein können und eine nicht immer über alle Maßen spannende, aber trotz alledem kurzweilige Unterhaltung bieten.