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Der Urknall ist eines der mysteriösen Rätsel unseres Universums, denn die Singularität, der wir an einer bestimmten Stelle der Raum-Zeit begegnen, lässt sich mittels althergebrachter Gleichungen nicht mehr weiter auflösen. Einen Blick zurück zu werfen - vor den Zeitpunkt des Urknalls - mag im ersten Moment sinnlos erscheinen, denn auch die Zeit soll ja erst mit dem Urknall entstanden sein. Es sollte also nach bisheriger Ansicht gar kein "davor" geben können.
Martin Bojowald, ein deutscher theoretischer Physiker, der im Jahr 2000 an der Technischen Hochschule Aachen promovierte und heute in den USA an der Pennsylvania State University arbeitet, ließ sich davon allerdings nicht beirren und versucht, mit dem Buch "Zurück vor den Urknall" für Laien verständlich die Sachverhalte darzulegen, die überhaupt erst dazu führten, dass wir (Bojowalds Meinung nach fälschlicherweise) den Urknall als Beginn alles Seins definieren. Bojowald geht sogar davon aus, dass es möglich sein sollte, "hinter" den Urknall zu blicken und zu verstehen, warum und wie er sich ereignete.
Hierfür bedient er sich einer Theorie namens Schleifenquantengravitation sowie der Schleifenquantenkosmologie. Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie sowie der Quantenmechanik zufolge geht nämlich die Energiedichte des Universums ins Unendliche, wenn wir uns der Urknall-Singularität nähern, so dass ab diesem Ereignis keine weiteren Aussagen und Lösungen mehr möglich sind. Weil ein unendliches Ergebnis aber in den allermeisten Fällen darauf zurückzuführen ist, dass wir Menschen einen Fehler in der Rechnung gemacht haben und nicht die Natur selbst verrückt spielt, ist davon auszugehen, dass der Urknall weder der Anfang aller Dinge war, noch, dass es unmöglich ist, noch weiter zurückzublicken.
Bojowald bedient sich hier der (noch nicht komplett ausformulierten) Schleifenquantengravitation, die in Hinsicht auf den Urknall das Pendant zum Positron bildet, ein Antiteilchen zum Elektron, dessen Entdeckung damals erklären konnte, warum ein Atomkern stabil bleibt. So gehen die Werte mittels der neuen Theorie beim Urknall nicht mehr gegen unendlich, da es nun ein Gegenstück gibt, das die Raumzeit stabilisiert beziehungsweise für neue Phänomene sorgt: Bojowald zieht hier den Vergleich mit einem aufgeblasenen Luftballon, der, wenn er kollabiert, am Ende nicht in sich zusammenfällt, sondern sich umstülpt.
Das Buch ist auf hohem Niveau geschrieben, kommt aber zum Glück (beinahe) ohne mathematische Formeln und Gleichungen aus und ist so selbst für interessierte Laien noch recht verständlich, auch wenn man den ein oder anderen Abschnitt mehr als einmal lesen muss, um dahinter zu steigen, was gemeint ist. Positiv fällt weiterhin auf, dass Bojowald die ersten Kapitel nutzt, um den Leser mit der Allgemeinen Relativitätstheorie sowie der Quantenmechanik vertraut zu machen.
Insgesamt ist "Zurück vor den Urknall" ein äußerst interessantes Buch geworden, das viele Denkanstöße und neue Ideen beinhaltet, aber natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss ist, denn dafür sind viele Näherungen noch zu vage und experimentell. Wer einen Einblick in die Schleifenquantengravitation sowie Schleifenquantenkosmologie bekommen möchte und mögliche Ansätze für ein Universum vor dem Urknall sucht, ist hier aber genau richtig aufgehoben.