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Delirium ist eine von den Ewigen und sie will unbedingt ihren Bruder Destruction wiederfinden. Er ist bereits seit 300 Jahren verschwunden. Nun ist es sehr ungewöhnlich für Delirium, dass sie ein Ziel klar vor Augen behält und über einen längeren Zeitraum hinweg versucht, es zu erreichen. Sie sieht aus wie ein ziemlich heruntergekommenes Punkermädchen. Ihre Augen sind meist zweifarbig und ihre Haare auf der einen Seite kurz, auf der anderen lang. Doch das alles kann sich jederzeit ändern, meistens entspricht ihr Aussehen ihrem Gemütszustand. Delirium spricht oft wirre Sätze, kann selten einer Unterhaltung über längere Zeit folgen und stellt Fragen, die sinnlos erscheinen. Sie ist wie ein kleines Kind. Deswegen mag sie die Suche nach ihrem Bruder auch nicht alleine starten, sondern bittet ihre Geschwister um Hilfe, doch sowohl Despair als auch Desire wollen sie nicht begleiten, deswegen wendet sie sich an Dream, den Herrn der Träume, obwohl sie Angst davor hat, dass er wieder gemein zu ihr sein könnte und sie ebenfalls abweisen könnte. Doch wider Erwarten sagt er ja und begleitet sie.
Dreams Zusage hat jedoch ganz egoistische Gründe. Er hat eben eine Liebe verloren und will sich mit dieser Suche von seinen schwermütigen Gedanken, die es in seinem Reich sogar regnen lassen, ablenken. Deswegen reist er gemeinsam mit Delirium auch in der Wachwelt. Sie benutzen Flugzeuge und Autos, was durchaus schon mal zu einem Desaster führen kann, wenn Delirium am Steuer sitzt. Die Ewige hat eine Liste mit Leuten angefertigt, die Destruction gekannt haben und die sie nun aufsuchen wollen. Allerdings ist das nur von sehr mäßigen Erfolg gekrönt, denn die Gesuchten scheinen verschwunden und nicht erreichbar zu sein oder sterben. Ebenso wie andere Menschen, die die beiden auf ihrer Reise begleiten. Irgendetwas scheint die Suche behindern zu wollen, doch wer oder was? Und warum?
Der siebte Band der Sandman-Reihe von Neil Gaiman ist durchaus ungewöhnlich zu nennen. Er läutet nicht nur einen Wandel in der Geschichte ein, sondern beschäftigt sich generell mit Veränderungen aller Art. Delirium und Dream sind auf der Suche nach Destruction, um Altbekanntes wieder herzustellen. Dream will, dass sich sein Bruder wieder um seine Pflichten kümmert, Delirium will ihn einfach wieder in ihrer Nähe wissen, weil sie es immer nett mit ihm hatte und hofft, das dann „alles wieder gut wird“. Natürlich erreichen sie mit dem, was sie tun, genau das Gegenteil. Ihr Handeln sorgt erst dafür, dass ein größerer Wandel stattfindet. Besonders der Herr der Träume verändert sich, will das aber nicht wahr haben und leugnet es bis zuletzt.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Sandman-Geschichten spielt diese so gut wie gar nicht in der Welt wie wir sie kennen. Zwar reisen die Suchenden eine Zeit lang in der Wachwelt, dort begegnen sie aber auch hauptsächlich solchen Menschen, die schon sehr, sehr lange auf der Welt sind und sich noch an Zeiten erinnern können, in denen Dinosaurier lebten oder Atlantis existierte. Auf diese Art wirkt die Geschichte seltsam fremd und doch vertraut. So wie etwas, das man schon einmal gesehen hat, an das man sich aber nicht erinnern kann. Diese Stimmung wird besonders durch Deliriums verwirrte Art das Leben zu sehen noch verstärkt. Sie stellt den absoluten Gegensatz zu Dream dar. Er ist eher düster, sie verspielt. Das wiederholt sich auch in der optischen Darstellung. So trägt Dream dunkle Kleidung und seine Sprechblasen sind schwarz mit weißer Schrift dargestellt. Deliriums Worte hingegen finden sich in bunten Sprechblasen und sind in einer verschnörkelten Schrift zu sehen.
Allein der Titel „Kurze Leben“ wirkt auf den ersten Blick wie ein Hohn, hat man es doch in dieser Geschichte vor allen Dingen mit den Ewigen zu tun und begegnet außerdem sehr alten Menschen. Doch die Poesie dahinter wird durch Death, eine Schwester von Dream und Delirium, offenbart: Jeder bekommt genau ein Leben, egal, wie lang es währt. Und letztendlich erscheint es jedem selbst doch als kurz.
Die Sandman-Comics sind so konzipiert, dass man jeden einzelnen Band auch für sich genommen lesen kann, das mag im Groben auch für diesen zutreffen, allerdings hat man wesentlich mehr Freude an der Geschichte, wenn man die Hintergründe der Charaktere kennt, ja, sie überhaupt auf den ersten Blick erkennt und nicht erst nach einigen Bildern oder Seiten erfährt, um wen es sich handelt. Da es zu einem gewissen Grad auch um die Strukturen in der Familie der Ewigen geht, versteht man sicher mehr, wenn man bereits Bekanntschaft mit ihren Mitgliedern geschlossen hat.