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 Der Knacks

Autoren: Roger Willemsen
Verlag: Fischer

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Anspruch
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Preis - Leistungs - Verhältnis
Der Knacks, das ist kein Moment, sondern ein Prozess. Er ist kein Bruch, kein Trauma, kein Erlebnis, das die eigene Welt von Grund auf verändert, sie in ihren Grundfesten erschüttert. Im Gegenteil, der Knacks sind die feinen inneren Übergänge, die kaum merklichen Veränderungen. „Wenn aber die Ernstfälle Narben sind, so sind die Veränderungen von innen der Falte vergleichbar“, schreibt Willemsen in einer Art Vorwort und spürt im weiteren Verlauf seines Buches „Der Knacks“ genau diesen Veränderungen nach. Er beginnt seinen Essay mit dem Tod seines Vaters. An jenem Tag war er mit einem ausgerissenen Huhn durch das Dorf gelaufen, um den Besitzer ausfindig zu machen. Der Tod seines Vaters, resümiert Willemsen, wäre ein anderer gewesen, wenn er an diesem Tag nicht dieses lebendige weiße Huhn zwischen seinen Händen gehalten hätte.

Wie der Knacks sich in die Kindheit schleicht, sie langsam ausbremst, wie man die Jugend hinter sich lässt und zu altern beginnt, weil man die Radikalisierung des eigenen Lebens abbricht, wie die Beschleunigung des Lebens dazu führt, das Leben zu verpassen und wie man schließlich zu dem wird, der man nicht hatte sein wollen - all dem spürt Willemsen in seinem 290 Seiten starken Essay über den Knacks in der Welt und in uns nach. Er erzählt von persönlichen Erfahrungen und gleitet dabei immer wieder ins Philosophische, Literatur- und Kunstgeschichtliche über.

Willemsen ist vor allem assoziativ in seinem Buch, was ein nicht immer passender Gegensatz zu seiner teilweise sehr akademischen Ausdrucksweise und den hin und wieder theoretisch anmutenden Teilen ist, denn von einer eher theoretischen Herangehensweise erwartet man dann auch eine gewisse durchdachte und hilfreiche Struktur. Die aber ist nicht wirklich zu entdecken. Auch erwartet man in diesem Fall eine gewissen Kürze, den Blick auf das Wesentliche und eine Reduktion im Sinne des roten Fadens. Aber auch dies ist nicht gegeben.
Im eher literarischen Ansatz darf der Autor mehr durchscheinen. Allerdings ist auch hier das Maß entscheidend. Leider gelangt man beim Lesen dieses Essays immer wieder zu dem Eindruck, dass Willemsen sich beim Schreiben selbst auf die Schulter geklopft, mit purem Entzücken einzelne Passagen gelesen und sich im Anschluss zu seiner Genialität beglückwünscht hat. Als Leser fühlt man sich dabei so manches Mal zum stillen Bewunderer degradiert.

Von jemandem, der sehr offensichtlich schreiben kann - denn es sind durchaus gelungene Passagen enthalten - erwartet man als Leser mehr als diese hochstilisierte, verklausulierte und pathethische Sprache, die das Lesen zu allem anderen als einem Genuss macht. Dass die Erwartungen nicht erfüllt werden, ist sehr schade, denn als reflektierter und mitdenkender Leser hätte man sich gerne zusammen mit dem Autor auf die Suche gemacht nach diesen haarkleinen Rissen im eigenen Leben, dem Leben anderer und der Welt.

Für alle, die an dieser Stelle noch nicht genau wissen, was sie im Buch sprachlich erwartet, hier eine kleine Passage - wer die mag, greife beherzt und beruhigt zu: Der Knacks wirft sein Licht über die Rede wie ein Stroboskop: er ist nicht das Licht, er ist das Prinzip seiner Brechung, und ihn ihm splittert alles. Es entsteht eine gescheiterte Rede. Nicht, weil der Rede über das Scheitern das eigene Scheitern gut stünde, nicht, weil sie so kokett wäre, sich der geschlossenen Form zu verweigern, nicht um dieses linkische Gesicht von Geistesgegenwart zu zeigen, sondern weil sie nicht anders kann, scheitert sie und nimmt nur in diesem stillen Moment, das sie sich ihrem Misslingen ausliefert, die Pose einer Rede an, die nicht ausschließlich scheitern muss.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 1. Oktober 2008 | ISBN: 9783100921055 | Preis: 18,90 Euro | 297 Seiten | Sprache: Deutsch

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