Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Leitbarkeit | |
Spannung | |
Matrixregeln gehören zum Cyberpunk wie das Salz in der Suppe. Das gilt auch und vor allem für Shadowrun 4.0, die jüngste Reinkarnation des berühmten Fantasy-SF-Crossovers, dessen deutsche Ausgabe seit kurzem beim Pegasus Verlag erscheint. Fleißig wie sie sind, haben die Pegasusianer gleich einmal die Corerules der Reihe neu herausgebracht - die Magieregeln ("Schattenmagie") und die Matrixregeln ("Vernetzt"). Vor allem letzteres Buch ist wohl unverzichtbar für alle SR-Spielgruppen, denn die Matrix hat sich in der 4. Edition grundlegend geändert. Sie ist nun ein Wireless-Netz, auf das die Runner jederzeit und überall Zugriff haben. Wohl jeder Bewohner der 6. Welt schätzt und nutzt sie, lässt sich von eingeblendeten ARO-Pfeilen den Weg weisen, mit Werbung zuspammen oder sich vom Kühlschrank melden, dass die Milch wieder mal alle ist. Und natürlich greifen auch die Hacker (das Decker-Äquivalent von SR 4) bei ihren Runs gerne auf die Wireless Matrix zu.
"Vernetzt" enthält sämtliche Regeln zur neuen Matrix, mit üppigen Hintergrundinfos. Nach einem allgemeinen und sehr lesenswerten Einstiegskapitel in den Stil und Atomsphäre der Wireless Matrix werden die Grundlagen für einen Hacker gelegt, die Ausgestaltung seiner Fertigkeiten und Attribute, neue Gaben und Handicaps, sogar ein neuer Lebensstil für jene Runner, die ihren Körper an Lebenserhaltungssysteme angeschlossen haben und dergestalt "eingetaucht" nur noch virtuell agieren. Wenn das mal nicht abgefahren ist! Das Kapitel "Matrix für Dummies" zeigt dann den Einsatz der Matrix für Nicht-Hacker auf, denn auch solche können (und sollten) sich das Netz dienlich machen, ist die Matrix doch in SR 4 noch enger mit der Realität verzahnt als je zuvor. "Matrixtopologie" ist dann wieder etwas für Experten, da es den exakten Aufbau und die Funktionsweise der neuen Matrix erklärt ... ein "Must-Read" für Hackercharaktere. Spielleiter wiederum werden sich an "Systemsicherheit" erfreuen, da hier Systeme entworfen werden, in die ein Hacker sich einschleichen kann. Der Entwurf solcher Netze geht leichter von der Hand als in den Vorgängerversionen; die zu hackenden Knoten haben nur noch vier Systemwerte (Firewall, Prozessor, Signal und System) und eine Authentifizierungsmethode, die der Hacker umgehen muss. Bei jeder Aktion werden vergleichende Proben zwischen den Fertigkeiten des Hackers und den kombinierten Werten des Knotens abgelegt, und will der Hacker erfolgreich sein, muss er mehr Erfolge erzielen. Natürlich sind wieder jede Menge "Intrusion Countermeasures" (Gegenmaßnahmen für Eindringline) am Start, die die Persona des Hackers zu crashen versuchen, und "Spinnen", also Sicherheitshacker, die das System überwachen. Insgesamt werden Hacking und Matrixkampf weit unaufgeregter und weniger schematisch als in den Vorgängerversionen behandelt, auch wenn das Ganze noch immer reichlich komplex ist. Man hätte im Zuge des Matrixxrahs von 2064 ruhig ein paar Zöpfe mehr abschneiden können.
Dass man mit Hackern aber nicht nur in Netze einsteigt und Daten stiehlt, zeigt das Anschlusskapitel "Handbuch für Hacker", dass sich mit dem Cracker-Untergrund, Piratensoftware, Softwarefälschungen und diversen Mogeleien beschäftigt. Welcher Hacker zahlt bitteschön selbst für Strom und Wasser? Jede Menge Hacker- und Riggertricks werden erklärt; Anonymisierer, Malware und Hintertüren bieten Abwechslung vom normalen Matrixrun, Agenten und Botnets stehen einem zur Seite, und auch im Matrixkampf kann man ein paar schmutzige Tricks anwenden. Auch Rigger kommen hier nicht zu kurz (die ja in der Wireless Matrix als Unterart der Hacker geführt werden).
Einem üppigen Kapitel zur Software (mit jeder Menge Agenten- und Drohnensofts, fiesen Viren, Programmen mit diversen Optionen und AR-Netzwerken) folgt dann der wohl coolste Aspekt der neuen Matrix, die Technomancer, die nur mit ihrem Gehirnen die Matrix hacken und sich dabei auf die "Tiefenresonanz" berufen, und - ähnlich wie Magier ihre Idole - verschiedene "Paragone" und Philosophien haben. Dadurch sind die Technomancer nochmal deutlich interessanter zu spielen als ihre Vorgänger, die Otakus, und bringen Drive ins Spiel. Sie sind auch in der Lage, semiautonome Sprites zu programmieren, die Geistern ähneln und sich theoretisch zu künstlichen Intelligenzen (KIs) weiterentwickeln können. Auch die letzten Kapitel zeigen nochmal die ganze Faszination der neuen Matrix, wenn es um Matrixphänomene in Shadowrun geht - neue KIs, UV-Hosts und geheimnisvolle Resonanzräume, die den Astralebenen der Magier in nichts nachstehen. Spätestens hier erwacht die Lust, der Matrix im Spiel einen größeren Stellenwert einzuräumen.
"Vernetzt" greift die besten Ideen der Matrixnutzung in Shadowrun auf, passt sie an die aktuellen Regeln der 4. Edition an und macht sie geheimnisvoller, spielbarer und flüssiger. Das Buch ist randvoll mit wirklich coolen Einfällen, die man im Spiel einsetzen kann, und versorgt sowohl Spieler als auch Spielleiter mit reichlichen Informationen über Hacking, Wireless-Systeme und die dunklen Seiten der Matrix. Ein unverzichtbares Buch für Shadowrunner und ein echtes Highlight der neuen Edition, das an das legendäre "Virtual Realities" der 2. Edition anknüpfen kann.