Mit seinen Kulturschätzen, dem unberührt wirkenden Hinterland und den attraktiven Stränden ist Italien nach wie vor ein beliebtes Urlaubsland. Doch die Fassade unbeschwerter Idylle bröckelt: Die Regierung führt im Untergrund einen rücksichtslosen Krieg gegen terroristische Kräfte, die der korrupten Staatsmacht den Kampf angesagt haben. Mit Attentaten, Bombenanschlägen und Geiselnahmen wollen die „Republikaner“, wie sich die Extremisten nennen, einen unabhängigen Norden Italiens erzwingen, der wirtschaftlich und finanziell vom Süden ausgebeutet wird. Die bewaffneten Konflikte zwischen Armee und Terroristen nehmen gefährlich zu und drohen in aller Öffentlichkeit in einen Bürgerkrieg zu eskalieren. Besonders in Mailand haben die „Republikaner“ mächtige und einflussreiche Sympathisanten.
Als in der Modemetropole ein Ermittler der Regierung spurlos verschwindet, wird die „Staatliche Gesellschaft für soziale Wohlfahrt“ eingeschaltet: Sie soll den Verbleib des vermissten Agenten klären und die Milano-Fraktion der „Republikaner“ zerschlagen. Nach außen hin als karitative Organisation bekannt, sucht die Gesellschaft Krankenhäuser nach jungen, an Körper und Seele misshandelten Mädchen ab, um ihnen ein neues Leben zu schenken: Biotechnologisch zu vollwertigen Killermaschinen optimiert und mittels medikamentöser Gehirnwäsche ihrer Erinnerungen beraubt, befolgen sie die Befehle ihrer Betreuer – der Fratellos – bedingungslos, um für sie gegebenenfalls auch ihr Leben zu opfern. Doch der Kampf gegen die „Republikaner“ wird allzu oft auf dem Rücken der zivilen Bevölkerung ausgetragen …

Nach dem durchschlagenden Erfolg des Manga-Hits von Yu Aida und der darauf basierenden, nicht minder erfolgreichen Anime-Reihe wurde Anfang 2008 in Japan die zweite Staffel unter dem Titel „Gunslinger Girl – Il Teatrino“ ausgestrahlt. Seit Januar 2009 veröffentlicht Anime Virtual die 13-teilige Reihe auf vier DVDs. Die vorliegende Volume enthält die ersten vier Episoden der zweiten Staffel. Folge eins führt die handlungstragenden Charaktere (wieder) ein und bietet somit einen guten und hilfreichen Einstieg für all jene, die seit ihrem letzten Genuss des Animes schon auf eine längere Ruhepause zurückblicken können. Ab der zweiten Episode entfaltet sich eine spannende Geschichte, die mit einem geschickt gesetzten Cliffhanger Appetit auf die nächste Volume macht.

Die Macher von „Gunslinger Girl – Il Teatrino“ greifen auf Altbewährtes zurück, ohne jedoch Abnutzungsspuren zu riskieren. Wie schon im Falle der ersten Staffel glänzt auch der neue Anime mit einer konsequenten Ablehnung jeglicher Schwarz-Weiß-Zeichnung und dem raffinierten Vorenthalten konkreter Identifikationsangebote und Feindbilder: Die titelgebenden Killermädchen sprechen in kindlicher Naivität über ihre Zukunftsträume wie auch über Belangloses, ihr unschuldig wirkendes Äußeres wie auch ihr erwärmendes Gelächter wollen den Zuschauer für die Mädchen einnehmen und die Organisation als verlängerten zynischen und gewissenlosen Arm einer käuflichen Regierung entlarven; gleichzeitig jagt es einem ein Schaudern durch den Körper, wenn etwa Rico Angelica mit eben dieser kindlichen Arglosigkeit verspricht, beim nächsten Einsatz einen Terroristen für sie zum Erschießen „übrigzulassen“. Einige Fratellos wie Ricos Betreuer Jean sehen in ihren „Schwestern“ lediglich ein willenloses Werkzeug und behandeln sie dementsprechend, während etwa José der kleinen Henrietta Geschenke macht und sich auch außerhalb der Einsätze und des Trainings um sie kümmert. Auch die Gegenseite gestattet keine simple Einteilung in Gut und Böse und löst sein Figureninventar gerne in einer einzigen Grauzone auf: Das nicht rechtfertigbare Treiben der „Staatlichen Gesellschaft für soziale Wohlfahrt“ und die korrupte Fratze der Politik verleihen den Forderungen der „Republikaner“ in den Augen des Zuschauers Gewicht, nur um in der nächsten Szene Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ideale aufkommen zu lassen, wenn Bombenattentate und Schusswechsel auch zivile Opfer fordern.

Optisch präsentiert sich „Gunslinger Girl – Il Teatrino“ in einem neuen, frischen Gewand: Die kühlen Pastelltöne der ersten Staffel, welche die Kaltblütigkeit der Cyborg-Mädchen unterstrichen haben, sind warmen Farben gewichen, der kalte Zeichenstil wird durch sanfte Zeichnungen der Figuren und eine verstärkte Detailzubilligung an die Hintergründe ersetzt. Die Charaktere unterscheiden sich hinsichtlich ihres Aussehens von Staffel Eins, besonders Henrietta und die anderen Mädchen wirken nun noch weit unschuldiger und das Herz erwärmender als früher. Was die im Grunde genommen gelungene Schönheits-OP in den Augen mancher Fans der Reihe möglicherweise schmälern könnte: Stand die erste Staffel hinsichtlich ihres Zeichenstils der Mangavorlage sehr nahe, so entfernt sich „Il Teatrino“ ein Stück von dieser. Zwar nur ein kleines, aber unbestritten sichtbar …

Die Kampfansage an einfältiges Schwarz-Weiß-Denken spiegelt sich auch in der Aufmachung des Animes wider: Melancholische Momente wie die unbeschwerten Dialoge der Killerinnen in ihrer Freizeit und die starke kindlich-naive Zuneigung mancher Mädchen ihren Fratellos gegenüber werden mit knallharten Actionsequenzen und brutalen Schusswechseln gemischt; auch wenn im Hinblick auf Gewaltdarstellung kein Blatt vor den Mund genommen wird, werden letztere nie zum tonangebenden Element, vielmehr lockern sie die emotional dichte Atmosphäre auf. Das Intro fängt verträumte Impressionen des Alltags italienischer Kulturmetropolen ein und vermischt sie gekonnt mit Blutspritzern und photorealistischen Darstellungen von Waffen. Wie schon die erste Staffel, so zeichnet sich auch „Il Teatrino“ durch eine lobenswerte Liebe zum Detail aus. Man merkt, dass vor Ort recherchiert wurde – ein Beleg hierfür sind die Aufnahmen von Originalschauplätzen, die unter den Extras zu finden sind – und auch sonst dem Detail viel Aufmerksamkeit zugesprochen wurde: Hirscher liest auf der Heimreise im Zug die italienische Tageszeitung La Repubblica, die Schilder und Plakate von Demonstranten enthalten italienische Texte, die Rückseite von Büchern warten mit Barcodes auf und in einer Folge erholen sich Bombenleger auf einer Autogrill-Raststätte von einer ermüdenden Autofahrt. Nur in puncto Soundtrack hinkt „Il Teatrino“ seinem Vorgänger nach: Das Gros an Musikstücken fängt die emotionale Dichte gut ein und mit „Tatta hitotsu no omoi“ von KOKIA wurde ein wunderschönes opening theme gewählt; stellenweise wartet der Anime aber mit vollkommen fehlplazierten elektronischen Tracks auf.

Die DVD selbst wartet mit ansehnlichem Bild und klarem Ton auf, das Bonusmaterial umfasst neben den obligatorischen Trailern zu anderen Animes ein nur bedingt interessantes und amüsantes Interview zwischen zwei japanischen Synchronsprechern sowie die schon erwähnten Besichtigungen italienischer Originalschauplätze; weiteres liegt der Silberscheibe ein Poster zu „Il Teatrino“ bei. Eine augenscheinliche Bagatelle mit enormen Störfaktor: In der deutschen Tonspur wurde für Laute wie Henriettas Gekicher oder Marcos Gestöhne zeitweilig der Originalton bemüht; Homer Simpson lässt grüßen. So belanglos das auch klingen mag, es geht einem einfach auf die Nerven, wenn eine Figur einige Sätze auf Deutsch von sich gibt, nur im nächsten Moment mit einer gänzlich anderen Stimme zu stöhnen.

Die vorliegende DVD-Edition wird zusammen mit einem schmucken Sammelschuber ausgeliefert, der Platz für alle vier Volumes von „Il Teatrino“ bietet. Kann man auf die Box verzichten, hat man die Möglichkeit, die erste Volume der Anime-Reihe auch ohne Schuber und um fünf Euro günstiger zu erwerben.

Fazit: Was die erste Staffel begonnen hat, führt „Gunslinger Girl – Il Teatrino“ konsequent fort. Die erste Volume entspinnt eine Story, die das Potential birgt, seinen Vorgänger sogar zu toppen. Bedauerlicherweise kratzen Kleinigkeiten wie kleine Mängel in der deutschen Synchro und das stellenweise unsichere Händchen beim Score an einer Bestwertung.