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Jörg Haider hat Zeit seines Lebens polarisiert, nicht nur bei der politischen Linken war er verhasst. Obwohl bei seinem angeblichen Unfall so einiges unklar geblieben ist, machen es sich seine politischen Gegner einfach: „Der Nazi ist tot, wen stört es?“. Voller makaberer Begeisterung stürzte man sich auf die vermeintlichen Tatsachen - so sei Haider betrunken gewesen, unverantwortlich gerast und vorher gar in einem Schwulen-Club gewesen. All das hat die später so schweigsame Staatsanwaltschaft erstaunlich schnell verkündet. Andere stehen so genannten Verschwörungstheorien prinzipiell misstrauisch gegenüber, so als ob es nie politische Attentate oder Auftragsmorde durch interessierte Kreise gegeben hätte.
Die erste Hälfte des Buchs beschreibt Haiders Lebensgeschichte und seine politischen Ansichten. Wisnewski distanziert sich sowohl von Haider als auch von dessen Kritikern, er sieht aber Haider weitaus differenzierter als dessen Gegner. In der zweiten Hälfte geht es dann um den angeblichen Unfall, inklusive Augenzeugenbefragung, Besichtigung des Unfall-Autos, Unfall-Analyse und einer Theorie, was wirklich passiert sein könnte.
Das Buch wartet mit einigen Fotos vom angeblichen Unfallwagen sowie vom Unfall- beziehungsweise Tatort auf.
Zuerst verwundert die Aufteilung des Buches, aber schnell wird klar: Sollte es sich wirklich um Mord oder ein Attentat handeln, dann liegt der Grund dafür wahrscheinlich in Haiders Schaffen begründet. Daher ist es richtig, dass Wisnewski vorweg versucht, Haiders Leben zu ergründen.
Es ist kein Geheimnis: Jörg Haider wurde in eine dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstehende Familie hineingeboren und lange Jahre lang war er stark deutsch-national eingestellt. Aber war er Populist, Nazi, Rechter oder Linker? Haider legte immer Wert darauf, dass die einfachen Leute ihn als einen der ihren betrachtete. Er lobte die nationalsozialistische Arbeitspolitik, beackerte oft das Ausländerthema, kämpfte aber immer auch gegen die „Großen“ und für die Rechte der kleinen Leute.
Wisnewski macht es sich stellenweise etwas einfach beziehungsweise scheint nicht im politischen Diskurs zu stehen. Das zeigt sich zum Beispiel im Unverständnis der Kommentare Haiders bezüglich der „Männer von der amerikanischen Ostküste“. Insgesamt gesehen ist dieser Teil jedoch sehr interessant, zeigt er doch ein differenziertes Bild Haiders und nicht das Zerrbild, das die Systempresse von ihm zeigte. Man muss nach der Lektüre Haider nicht lieben, aber man wird besser verstehen, warum er in Kärnten so beliebt war. Außerdem sollte man verstehen, dass es egal ist, ob Haider nun Nazi war oder nicht, es muss aufgeklärt werden, was wirklich passiert ist. Auch wird hier die politische Dimension gut aufgezeigt, immerhin war Haider potenziell der nächste oder übernächste Bundeskanzler von Österreich. Wenn man sich vorstellt, dass ein vergleichbar wichtiger deutscher Politiker einen ähnlich mysteriösen Unfall erleiden würde: Welch ermittlungstechnischer Aufwand würde betrieben!
Dann geht es um den Unfall selbst. Wisnewski recherchierte vor Ort, sprach mit den wirklichen Augenzeugen und hatte sogar das Glück, den Unfallwagen besichtigen zu können. Man kann sagen, dass er das erledigte, was die Staatsanwaltschaft hätte erledigen müssen. Natürlich kann der Autor mit seinen begrenzten Mitteln auch nur begrenzte Ergebnisse liefern. Aber er zeigt sehr gut die Ungereimtheiten auf und derer gibt es viele. Da ist die Staatsanwaltschaft, die erst freudig allerlei pikante Dinge über Haider lanciert und dann merkwürdig still war. Die angebliche Unfallzeugin, die vor Ort von niemanden sonst gesehen wurde, untergetaucht ist und in Panik gerät, wenn jemand behauptet, sie hätte sich zum Unfall geäußert. Die Spuren vor Ort und am Auto passen in keiner Weise zu den offiziellen Theorien und Haider zeigt erstaunliche multiple Verletzungen. Dazu kommt, dass der Ablauf des Abends je nach Gesprächspartner erstaunlich widersprüchlich geschildert wird. Was immer noch nicht alle Ungereimtheiten sind, da gibt es zum Beispiel noch gefälschte und widersprüchliche Tatort-Fotos.
Wisnewski macht es sich stellenweise etwas leicht; da wird zum Beispiel einfach gegoogelt, anstatt einen Rechtsmediziner zu befragen. Auch die Tatsache, dass der von ihm besichtigte Wagen zwar die richtige Fahrgestellnummer hat, aber Unterschiede zu dem Wagen auf den Tatort-Fotos aufweist, wird kaum beleuchtet. Der Laie kann nicht alle technischen Details überprüfen, aber auf alle Fälle legt Wisnewski seinen Finger in die Wunden.
„Jörg Haider – Unfall, Mord oder Attentat“ ist jedem kritischen Menschen zu empfehlen, der sich der Wahrheit über Haiders Tod nähern möchte. Das Buch hat seine Mängel, die aber überwiegend in den begrenzten Möglichkeiten des Autors begründet liegen dürften. Eines aber leistet Wisnewski: Er zeigt auf, dass die offizielle Variante des Unfallherganges nicht realistisch ist und stellt kritische Fragen. Seine eigene Variante ist interessant und würde einiges erklären, hat aber auch ein paar Mängel.