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Das fantastische Land Andira ist in Gefahr: Finstere Horden schattenhafter Wesen überrollen zuerst die riesige Hauptstadt Andros und vernichten die Bewohner, dann haben sie es auch auf den Rest des Reiches abgesehen. Dieses braucht echte Helden, die sich der Gefahr mutig entgegenstellen.
Und es gibt diese Helden: Die schöne Waldelfe Trish gabelt den starken Krieger Athrius auf, der in sehr gefährlichem Gebiet aufgetaucht ist, scheinbar aus dem Nichts. Er ist ein Feldherr von der Erde, den ein bösartiger Zauberer in diese Welt gebracht hat, ohne dass Athrius begreift, wieso. Die beiden tun sich zusammen, machen sich auf den Weg Richtung Andros und verlieben sich bald ineinander. Sie müssen einige Gefahren meistern und treffen schließlich auf Kylos. Der barbarische Hüne hatte sein Dasein als Gladiator in Andros gefristet, und als die Schatten die Stadt angreifen, kämpft er sich bis zur Unterstadt durch. Von dort aus gelangt er zu einem heiligen Ort seiner Ahnen, wo er ein wertvolles Geschenk erhält.
Zu dritt versuchen sie, in den Königspalast zu gelangen und Gremdin, den Herrscher von Andros, vor der Gefahr zu warnen und ihm beizustehen. Dort stoßen sie auf die Dunkelelfe Aliana und ihren großen intelligenten Löwen, die das gleiche Ziel verfolgen. Die finstere Bedrohung hat aber auch im Palast schon Einzug gehalten. Dennoch fliehen die vier Helden mit dem König, der sie daraufhin auf die Suche nach sehr mächtigen Runen-Artefakten schickt, mit denen sie die Invasion stoppen wollen. Doch welche Pläne verfolgt Gremdin wirklich?
Die Geschichte für sich ist zwar nicht spektakulär neu, klingt aber zunächst mal nach solider Fantasykost. Das könnte „Schatten über Andira“ auch sein, wäre die Machart nicht so dürftig. Das geht bei der Darstellung der vier Hauptcharaktere los: Diese unterscheiden sich kaum voneinander, Athrius gibt sich wie Kylos und die beiden Elfen ähneln einander auch sehr. Charakterentwicklung findet ebenfalls nicht statt, all die Geschehnisse haben scheinbar keinen psychischen Einfluss auf die Figuren. Die definieren sich vornehmlich über ihre Attribute: perfekter Körperbau, übermenschlich gute Kampffähigkeiten, einige besondere Zauberfertigkeiten und tolle Ausrüstung. Trish ebenso wie Aliana werden wiederum nur durch besondere Fähigkeiten zu Elfen, nicht durch Rede- oder Verhaltensweisen oder eine besondere Weltsicht. Anders gesagt: Diese Elfen sind viel zu menschlich.
Die ständige Zurschaustellung dieser perfekten Körper und Attribute in Sätzen wie „Trish legte besänftigend eine Hand auf seinen
starken Rücken.“, „Nur durch seine schnellen Reflexe ...“ und ganz schlimm „Ihr elfischer Instinkt sowie ihre weibliche Intuition sagten ihr, dass nichts Gutes auf sie wartete.“ wird recht schnell lästig. Als Rollenspieler bekommt man den Eindruck, der Autor habe Charakterbögen neben seinem Schreibgerät liegen gehabt, auf dem viele hohe Werte standen, aber kaum Charaktereigenschaften.
Die Bösewicht-Seite ist mal wieder furchtbar einseitig: Gremdin schafft sich ein perverses Horror-Szenario mit absolut übertriebenen Grausamkeiten, die genüsslich aneinandergereiht werden – immer noch einen drauf, egal wie albern es klingt. Und der dunkle Schattenlord, der die Schatten-Invasion vorantreibt, strebt nur danach, alles Leben auszumerzen und über willenlose Schatten zu herrschen. Dass die Schattenwesen, die sich von Leben ernähren, am Ende dieser Invasion nichts mehr zu futtern haben, ist ihm anscheinend zweitrangig.
"Schatten über Andira" zeugt davon, dass Autor Stefan Logar noch am Beginn seiner Schriftsteller-Laufbahn steht und es nicht für nötig gehalten hat, fähige, kritische Leute den fertigen Roman korrekturlesen zu lassen – dieser Roman beweist, wie wichtig das ist, gerade wenn man bei einem Verlag wie Frieling veröffentlichen will. Einiges an Rechtschreibfehlern ist hier zu finden – die konsequente Schreibweise "ss" für "ß" ist jedoch kein Fehler, da der Autor in der Schweiz lebt, wo das üblich ist –, schlimmer wiegen aber die stilistischen Mängel. Gerade in Kampfsequenzen vermag Logar nicht immer, die Szenen in seinem Kopf verständlich oder spannend zu Papier zu bringen. Das endet öfters in umständlichen Beschreibungen, die die Szenen träge in die länge ziehen.
Logar setzt seine Priorität auf das Geschehen und schlabbert dafür auch schon mal Offensichtliches: Im Palast gelangen Athrius, Trish und Kylos an eine Tür, vor der Wachen in metallener Plattenrüstung liegen, offenkundig tot. Aliana taucht auf, die drei anderen drehen sich mit den Rücken zu den Wachen. Nach einem kurzen Wortwechsel schießt Aliana plötzlich in Richtung der Helden, trifft aber einen dieser Wächter in Plattenrüstung, der zu untotem Leben erwacht ist. Er kippt mit lautem Scheppern um. Aber wie er es in dieser Rüstung geschafft hat, sich lautlos zu erheben, ohne dass die Helden, denen sonst nichts entgeht, es mitbekommen, erklärt der Autor nicht. Es gibt leider einige solcher Logikfehler in dem Roman.
Ein Problem sind auch die Erzählzeiten: Allzu oft wird Geschehen, das bereits in der Vergangenheit abgeschlossen war, im Präteritum erzählt, der Leser muss selber erkennen, dass er es nicht mit aktuellem Erzählgeschehen, sondern mit Rückblicken zu tun hat. Extrem ist das bei der Rückblende auf König Gremdins Kindheit, die einfach so übergangslos und ohne jegliches Plusquamperfekt in die Erzählung eingebettet ist. Mehrmals sieht sich der Leser einer verzerrten Erzählperspektive ausgesetzt. Ein Beispiel: Druide Hurkil betritt seine Behausung. In dieser lebt er schon seit Ewigkeiten. Weil aber der Leser das erste Mal mit eintritt, werden die Räume beschrieben. Aus unerfindlichen Gründen heißt es da: „Es
schien der Waschraum zu sein.“, ob wohl dem Druiden das doch klar sein müsste. Hier wurde versucht, den Leser über etwas im Unklaren zu lassen, was für Hurkil allgemeines Wissen ist.
Handwerklich ist die Erzählung voller Schnitzer: Ständig wiederholen sich Begriffe in einem Satz oder einem Abschnitt schnell hintereinander, die Vielfalt der deutschen Sprache wird nicht ausgeschöpft. Man ist irritiert über englischsprachige Begriffe wie „Titan-Sunfire-Gebirge“, „O.K.“, „Forestpearl“ als Name für ein Reittier und „wow“ – fehlt noch „Bingo!“. Das wirkt, weil es nicht durchgängig, sondern sporadisch eingesetzt wird, genauso fehl am Platz wie die mehrfache Erwähnung von „Touristen“. Absolut lästig und Rollenspielern nur allzu bekannt: Etwa 50 Prozent aller gesprochenen Sätze beginnen mit „Nun“, und zwar ganz gleich, wer gerade spricht. Und dann gibt es da Sätze wie „Alle waren vertreten, jedenfalls die meisten.“ – warum schreibt Logar „alle“ und korrigiert sich dann? Sollte das Humor sein?
Man kann noch eine ganze Menge zu schreiben über „Schatten über Andira“. Aber es gibt auch gute Passagen: Etwa ab der Hälfte des Romans gewinnt man den Eindruck, dass Logar Schreibroutine bekommen hat. Einige Passagen wie Trishs flucht aus dem Palast oder der Rat der Alderon, engelartige Wesen, sind ganz gut gelungen, ebenso Kylos’ Begegnung mit seiner Mutter und die Szene um Athrius im Elfendorf. Auch die Dialoge werden besser. Gegen Ende flacht das Erzählniveau aber wieder ab, als hätte der Autor diesen Abschnitt als erstes geschrieben. Nett ist immerhin die Auflistung des Personals zu Beginn dieses Buches.
Auf Effizienz gebürstete stereotype Figuren werden durch eine actionüberladene und wenig originelle Story geschickt, die mit latent pathetischem Heroenklang erzählt wird. „Schatten über Andira“ scheitert daran, dass niemand dem Autor die vielen Schwächen in Stil, Szenenbeschreibungen und Dialogen aufgezählt hat. Gerade als Neuling sollte man sich nicht scheuen, andere Leute nach ihrem Urteil zu fragen. Am Ende zeigt sich, dass es eine Fortsetzung geben soll. Noch ein Buch dieser Machart? Nein, danke. Der Roman ist nur für junge Nachwuchsautoren zu empfehlen, die ein gutes Beispiel dafür suchen, wie man ein Buch
nicht schreiben sollte.