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Nesta führt ein Leben wie so viele Jugendliche in seinem Alter, die in den Ecken der Stadt aufwachsen, in denen es keine Zukunft gibt. Er geht auf Partys, raucht Bassstaub, trinkt Balsam und tropft sich Träume, das heißt, er tropft sich eine Flüssigkeit in die Augen, um an einem Traum teilzuhaben, den ein anderer geträumt hat. Es gibt alles: Von verspielten und belanglosen Träumen bis hin zu Gewalt und Sex, was allerdings nur illegal und unter der Hand verkauft wird. Nestas größter Wunsch ist es, selbst einmal Träumer zu werden, deswegen fängt er schon früh an, ein Traumtagebuch zu führen. Tatsächlich wird er sogar immer wieder zum Vorträumen eingeladen und muss sich Nachts den so genannten Rüssel auf den Kopf setzen, mit dem das, was er hinter geschlossenen Augen erlebt, aufgezeichnet wird. Bei einer solchen Gelegenheit lernt er auch Tedaisha kennen, eine junge Frau, mit der er sich vom ersten Augenblick an verbunden fühlt und die eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen wird.
Man könnte meinen, man verfolgt in Selim Özdogans Roman ein ganz normales Leben in nicht allzu ferner Zukunft. Doch ganz langsam und schleichend zeichnet sich ab, dass Nesta ein besonderer Mensch ist, der Einzigartiges erleben soll. Nicht nur, dass Menschen besser träumen, wenn sie in seiner Nähe sind, er wird auch nach und nach in eine immer verwirrender werdende Verschwörungen um die Gewinnung der Träume gezogen. Ausschlaggebend ist ein Traum, den sich die Menschen tropfen und aus dem man nicht mehr aufwacht. Immer mehr Menschen liegen wie im Koma und kommen nicht wieder zu sich. Zu ihnen gehört auch Tedaisha, um sie zu retten, springt Nesta über seinen eigenen Schatten und macht sich auf eine absolut surreal wirkende Reise.
Bis die Geschichte selbst sich entwickelt, vergeht einige Zeit, trotzdem ist der Roman an keiner Stelle langweilig. Bemerkenswert ist die Entwicklung von einer Zukunftsvision der Welt, die sich nur bedingt von unserer unterscheidet, hin zu einem fantastischen Szenario. Anstatt mittels Fernsehunterhaltung oder Alkohol flüchten die Menschen hier mithilfe von Träumen in andere Realitäten. Doch nach einem Drittel tauchen in „Zwischen zwei Träumen“ immer mehr fantastische Elemente auf, bei denen es durchaus nicht leicht fällt, sie zuzuordnen. Sie wirken verstörend und verwirrend, spiegeln aber gleichzeitig die Sehnsucht einer Gesellschaft wider, die nach Rettung aus einem tristen Leben sucht. Und was zuerst nur wie das Gespinst einer gut gelungenen Geschichte wirkt, lässt sich erschreckend oft auf unsere eigene Umgebung übertragen. Lediglich das Ende des Romans wirkt dann etwas weit hergeholt. Das Rätsel um die Herstellung von Träumen wird nicht sehr befriedigend aufgelöst und wirkt ein wenig gezwungen. Trotzdem sollte das niemanden davon abhalten, zu diesem Roman zu greifen, denn selten gelingt es einer Geschichte so gut, ihre Leser zu fesseln, und ihnen etwas Neues zu erzählen. Am ehesten lässt sich „Zwischen zwei Träumen“ vielleicht mit Jeff Noons Romanen „Gelb“ und „Pollen“ vergleichen, die auf einer ähnlichen Grundidee basieren. Allerdings handelt es sich bei Selim Özdogans Buch um ein viel bodenständigeres Werk.
Etwas irritierend wirkt die Art in der der Autor gesprochenen Text darstellt. Er benutzt nicht die üblichen Anführungszeichen, sondern stellt den Passagen einen Gedankenstrich voran und wechselt die Zeile, wenn eine andere Person spricht. Man gewöhnt sich zwar mit der Zeit daran, es stört aber durchaus ein wenig den Lesefluss. Sehr gelungen ist die Aufmachung des Buches. Es ist in Leinen gebunden und hat zusätzlich einen sehr edel wirkenden Schutzumschlag.
Wer nach einer Lektüre sucht, die spannende Unterhaltung, ein einmaliges Szenario und tiefe Gefühle bietet und dabei auch noch eine Vorliebe für surreale Bilder hat, sollte „Zwischen zwei Träumen“ unbedingt lesen und damit rechnen, sich kaum von dem Roman lösen zu können.