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Joe Abercrombies "Kriegsklingen" spielt in einer ganz und gar nicht heilen Welt: Das mächtigste Königreich, die Union, zerfällt von innen her, zerfressen durch Korruption und Habsucht unter der Regierung eines debilen alten Königs. Im Süden ist ein machthungriger junger Imperator an die Macht gekommen, der immer mehr eine drohende Gefahr darstellt.
Weit im Norden hinter dem Gebirge wird der alternde Kämpfer Logan, genannt „Neunfinger“, von seinen treuen Kumpanen getrennt. Es scheint so, als müsste er sich nun allein gegen die Wildnis des Nordens, die in Banden herumziehenden Schankas und die drohende Gefahr durch seinen alten Feind Bethod stellen, der sich nun „König der Nordmänner“ nennt. Doch dann stößt er zu dem geheimnisvollen Magier Bayaz, der sich ebenfalls gegen Bethod zu stellen scheint.
In der Unionshauptstadt lebt der unheimliche Inquisitor Glokta, der seit einer Kriegsgefangenschaft, die ihn verkrüppelt und gebrochen zurückließ, ein gnadenloser Zyniker ist. Er versucht die verborgenen Machenschaften der Tuchhändlergilde aufzudecken und schreckt dabei vor keinem Mittel zurück. Eine Gegenfigur zu diesem Inquisitor ist der Fechter Luthar, ein arroganter, junger Adeliger, dessen Leben sich auf den Kopf stellt als er sich in eine Frau verliebt, die der dem aktuellen weiblichen Ideal so ganz und gar nicht entspricht.
Es wird schnell deutlich, dass „Kriegsklingen“ vor allem von seinen ganz unterschiedlichen Protagonisten lebt. Keiner davon ist im eigentlichen Sinne sympathisch, sondern jeder hat seine eigenen Fehler und Macken. Dafür ist es unheimlich spannend, diese fremde Welt durch ihre ebenso unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Und in dieser Welt braut sich nun ein Krieg zusammen. Der selbsternannte König der Nordmänner, Bethod, will Krieg gegen die mächtige Union führen, deren Bürger das jedoch zunächst kaum wahrhaben wollen. Und so zieht Abercrombie seine Figuren zusammen; in Schatten des heraufziehenden Krieges stoßen sie aufeinander, mal mehr, mal weniger friedvoll. Und dabei wird der Roman erst richtig spannend. Plötzlich merkt der Leser, dass seine Sympathien nun merkwürdigerweise zwischen einem gewalttätigen Nordmann und einem jungen Schnösel hin- und her gerissen sind, dass er mit einem zynischen, gnadenlos agierenden Inquisitor Mitgefühl empfindet. Und das ist dann doch erstaunlich.
Joe Abercrombies Debütroman scheint einerseits der Inbegriff klassischer Fantasyunterhaltung zu sein und ist andererseits überraschend unkonventionell geschrieben. Verschiedene Handlungsstränge werden auf geschickte Weise verknüpft und so verschiedene Charaktere ins Spiel gebracht. Was zunächst wie ein klassischer Fantasyabenteuerroman erscheint, von denen es ja mittlerweile doch so einige gibt, ist in Wirklichkeit viel mehr. Abercrombie schafft es nämlich, den Leser zu fesseln - ohne ausführliche, blutige Beschreibungen von Kämpfen und Schlachten, ohne seitenlange Verfolgungsjagden und ohne bis zur letzten Kralle detailgenau beschriebenen Riesenmonster und Bestien. Er schafft das allein durch das Spiel mit seinen Charakteren, die er dem Leser gleichzeitig mit ihren Makeln und Unzulänglichkeiten vorführt und andererseits ans Herz wachsen lässt. Damit hebt sich „Kriegsklingen“ von einem guten Teil der modernen Fantasyliteratur ab, ist spannend, außergewöhnlich, interessant und für alle Fantasyliebhaber absolut empfehlenswert.