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Jack Taylor ist fünfzig, lebt im irischen Galway, trinkt gern und vor allem viel, liebt Literatur und war mal Cop – bis er einem wichtigen Typen vom Finanzministerium eine reinhaute. Das war’s dann mit der Polizeikarriere für Jack. Nach diesem Rausschmiss folgen diverse weitere Rausschmisse in den unzähligen Pubs Galways und Jack arbeitet fortan mehr oder weniger als Privatermittler. So kommt es, dass ihn eine Frau anspricht und ihn bittet, im angeblichen Selbstmord ihrer Tochter zu ermitteln. Sarah hat sich anscheinend ertränkt, aber ihre Mutter glaubt nicht an den Freitod ihrer Tochter, sondern vermutet ein Verbrechen dahinter.
Jack steigt in die Ermittlung ein und hat tatsächlich bald eine Spur: Mehrere junge Mädchen, die alle in einem Baumarkt in Galway gearbeitet haben, haben überraschend Selbstmord begangen. Und dann stehen plötzlich Schläger vor Jacks Tür, die offensichtlich nicht wollen, dass er seine Nase in Sachen steckt, die ihn nichts angehen ...
"Jack Taylor fliegt raus" von Ken Bruen – der Originaltitel ist mit "The Guards" knapper und emotionsloser und damit auch etwas passender ausgefallen – ist weniger ein richtiger Krimi als vielmehr eine ausgezeichnete und unterhaltsame Charakterstudie eines in vieler Hinsicht gezeichneten und gescheiterten Mannes, der sich langsam zu Tode trinkt, der sich prügelt, sich verliebt, seinen gerade verstorbenen Vater heftig betrauert und an seinem besten Freund zweifelt.
Ken Bruen ist ja bekannt für seine
hardboiled detective-Stories, die er teilweise mit Jason Starr zusammen verfasst hat, und Jack Taylor reiht sich mühelos ein in diese Stories über harte Jungs. Man taucht sehr schnell ein in Jacks Welt, die zu einem erheblichen Maß aus Schmerz und Zynismus besteht, und das liegt vor allem auch an der genialen Übersetzung von Harry Rowohlt, mit dem man ja ohnehin nicht viel falsch machen kann. Es gibt durchaus sehr komische Momente, was hauptsächlich am Protagonisten und seiner trockenen Art liegt und weniger an der Handlung, denn die ist eher deprimierend, weil Jack sich in mehr als einer Hinsicht im freien Fall nach unten befindet.
Zu jeder Zeit ist dieses Buch auf jeden Fall sehr atmosphärisch dicht und sehr originell erzählt. Bruens Schilderungen über die Iren und ihre eigenwillige Art muss man dem Autor wohl einfach abkaufen, wenn man kein intimer Kenner Irlands ist, und so folgt man Jack Taylor, diesem außergewöhnlichen Fast-Detektiv, durch seinen sehr faszinierenden, oft schrulligen und gewalttätigen Mikrokosmos. Die Ermittlung und die Todesfälle stehen im Roman nicht so sehr im Vordergrund; tatsächlich betreibt Jack insgesamt nur sehr wenig echte Detektivarbeit - manches ist Glück, manches ergibt sich einfach. Am Ende gibt es zwar eine Auflösung, aber die wird fast beiläufig präsentiert, weil anderes einfach wichtiger ist. Für Fans klassischer Detektivarbeit vielleicht eine Enttäuschung, insgesamt hebt aber gerade das den Roman aus der Masse heraus - das ist vor allem deshalb so erstaunlich, weil Bruen sich ziemlich vieler Klischees bedient (saufender, einsamer Detektiv voller Weltschmerz, der gerne mal zuschlägt und nicht korrumpierbar ist), aber man verzeiht es ihm mühelos, weil sein Stil so fesselnd ist und seine Charaktere so lebensecht sind.
Ken Bruen hat bereits zahlreiche weitere Jack-Taylor-Romane geschrieben (unter anderem "The Killing of the Tinkers", "The Magdalen Martyrs", "The Dramatist") - man fragt sich wirklich, warum es so viele Jahre gedauert hat, bis die Reihe endlich ins Deutsche übersetzt wurde, und darf sich auf die Fortsetzung freuen!